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■ Die neue Wetterkarte bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“

Das Wetter von morgen. Das Hoch über Mitteleuropa wundert sich, reibt sich zweimal die strahlenden Sonnenaugen und schickt dann heiteres Wetter übers vereinte Deutschland. Die Wiedervereinigung hat längst stattgefunden - auf der Wetterkarte der Tagesschau. Lindgrün ist sie jetzt, nach dem Satellitenbild und der Übersicht dreht sich die Karte, das vorher sichtbare Europa verschmilzt zu Deutschland einig Vaterland. Operation Wetterkarte. Hat die Tagesschau -Redaktion, sonst so verkrampft unideologisch um kragensteife Objektivität bemüht, dem vereinigungsgeilen Kanzler im vorauseilenden Gehorsam den Weg geebnet? Nach dem Motto: Nie war das Klima so günstig.

Ein Anruf bei der Tagesschau in Hamburg bringt Überraschendes. „Wir waren darüber selbst erstaunt, daß sie sich geändert hat“, erklärt die Mitarbeiterin - immerhin ist ihr nicht entgangen, daß sich etwas geändert hat. Frankfurt ist die richtige Adresse, dort wird das Wetter gemacht. Wieder Fehlanzeige. „Ich bin Journalist, ich habe damit nichts zu tun“, höre ich jemanden in die Muschel sprechen, dem es vollkommen egal zu sein scheint, ob das Wetter nun gesamtdeutsch ist oder für Hahiti vorausgesagt wird: „Da gibt es bei uns jemanden im Haus, der dafür zuständig ist, das muß ich mal recherchieren.“

Die Wahrheit ist wieder mal so ganz anders als erwartet. Über Jahre haben die Hessen ihre blaue Wetterkarte im Filmtrick hergestellt, während andere schon längst mit Computeranimation immer unübersichtlichere Vorspänne mit einer Armada von Digitaltricks produzierten. Jetzt hat die elektronische Beglückung auch beim Tagesschau-Wetter stattgefunden, da wollte man mit dem neuen Design nicht mehr bis zum „Anschluß“ der DDR warten. Ist doch blöd, die Grenze erst reinzunehmen und nach einem halben Jahr wieder zu entfernen, soll der Chefredakteur gesagt haben. Die Wiedervereinigung als Abfall einer technischen Neuerung und vollkommen ökonomisch gedacht. Bleibt nur noch die Frage, warum Bonn auf der neuen Wetterkarte überhaupt noch eingezeichnet ist. Wo doch in einem halben Jahr... (nein, bloß nicht, d. s-in).

Christof Boy