■ D I E A N D E R E N

L'Alsace

Kohls klärende Worte zur polnischen Westgrenze:

Nach monatelangen Winkelzügen um die Oder-Neiße-Linie hat Helmut Kohl schließlich die Geste vollbracht, die ganz Europa vom künftigen Kanzler des vereinten Deutschland erwartete: Die Anerkennung des endgültigen Charakters der deutsch-polnischen Grenze. (...) Ein historischer Akt, der die Angst vor einem neuen großen Deutschland beseitigen oder zumindest dämpfen dürfte. (...) Indem er den Preis für die Einheit bezahlt hat, scheint sich Kohl die Mittel gesichert zu haben, seine zunächst als unsinnig eingeschätzte Wette einzulösen und die deutsche Frage vor Ende des Jahres zu regeln.

Baseler Zeitung

Kohls Haltung zur polnischen Westgrenze

Spätestens seit der Bonner 'Zwei-plus-vier-Runde‘ muß er eingesehen haben, daß die vorbehaltlose und endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze ein entscheidender Faktor bei der Lösung der äußeren Aspekte der deutschen Frage ist. Nach Genscher dürfte auch Kohl klar geworden sein, daß Deutschland im Grunde genommen nichts aufgibt, „was nicht schon längst verloren war, verloren durch einen verbrecherischen Krieg und ein verbrecherisches System“.

Die Einsicht kam spät, aber nicht zu spät. Die Aussicht auf einen Grenzvertrag wird zu einer Beruhigung der deutsch -polnischen Beziehungen führen. Auch auf dem Weg zur deutschen Einheit ist ein sperriger Stein des Anstosses weggeräumt worden. Die europäische Integration schließlich kann sich künftig mit der Hoffnung entwickeln, daß der Friedensprozeß auf diesem Kontinent unumkehrbar geworden ist. Wenigstens, solange Verträge gehalten werden.

Die Presse

Die österreichische Zeitung zur deutschen Einheit und polnischen Westgrenze

Es hat eine Zeitlang gebraucht, am Ende siegte aber doch die Vernunft. Helmut Kohl hat eine „unmißverständliche Botschaft“ an Polen gerichtet. Und Warschau reagierte tatsächlich „mit großer Zufriedenheit“. Noch vor kurzem hatte sich der deutsche Kanzler sehr darum gewunden, die polnische Westgrenze eindeutig zu garantieren, und hatte damit an der Weichsel Ängste vor einem wiederentstehenden deutschen Revanchismus genährt. Kohl hat indes einen Lernprozeß durchgemacht, weil sein Zögern auch bei seinen Verbündeten diesseits und jenseits des Atlantiks gehöriges Kopfschütteln verursacht hat. Dennoch muß man sich im klaren sein: Wenn Extremisten hüben wie drüben wieder zündeln wollen, werden sie es auch in Zukunft tun. Die Vernünftigen freilich wird die Polengrenze nicht mehr trennen.

Liberation

Die französische Zeitung zum gleichen Thema:

Nachdem die Wolken am internationalen Horizont auf diese Weise zur Seite geschoben waren, konnten Bundestag und Volkskammer den deutschen Gang einlegen. (...) Oskar Lafontaine, der zuerst damit gedroht hatte, seine Kandidatur zurückzuziehen, falls die Sozialdemokraten im Bundestag dem Vertrag des Kanzlers zustimmten, wurde nicht Folge geleistet. Er distanzierte sich schließlich auf eine andere Weise. Er verließ Bonn für einen sechswöchigen Genesungsurlaub in Spanien.