Die PSOE setzt auf die Kraft des Südens

Bei den Regionalwahlen in Andalusien am heutigen Samstag werden die Sozialisten vermutlich erneut die absolute Mehrheit gewinnen / Skandal um den Bruder des Vizepräsidenten Alfonso Guerra scheint weitgehend vergessen / Wichtig sind die Almosen für die Arbeitslosen  ■  Aus Sevilla Antje Bauer

Den schöneren Platz hatte das Linksbündnis „Izquierda Unida“ für seine Abschlußkundgebung. Zwischen einem kleinen See und einem subtropischen Wäldchen hatten sie ein schneeweißes Podium aufgebaut, von dem herab der Andalusier und Parteivorsitzende Julio Anguita die Zuhörer zu einer linken Alternative aufrief. Doch nur einen Steinwurf entfernt hatte sich der ewige Gegner und Statthalter Andalusiens breitgemacht, weniger romantisch, jedoch besser organisiert: Schon am Nachmittag dieses warmen Junidonnerstags waren Busse vorgefahren und hatten sozialistische Parteimitglieder aus den entlegensten Dörfern Andalusiens ausgespuckt. Begeisterte und zuverlässige Claqueure.

Die Regionalwahlen in Andalusien am heutigen Samstag sind die dritten Testwahlen für die Sozialisten innerhalb eines Jahres. Die erste war die Europawahl vom Juni 89, sechs Monate nach dem Generalstreik gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der sozialistischen Regierung. Die PSOE verlor an Stimmen, behielt aber die absolute Mehrheit. Die zweite Testwahl waren die allgemeinen Wahlen im Oktober 89. Damals verloren die Sozialisten die absolute Mehrheit.

Daß eine weitere Testwahl ansteht, hängt mit der „Affaire Juan Guerra“ zusammen, die monatelang die spanische Presse beherrschte und die Sozialisten um ihre bequeme Mehrheit im andalusischen Landesparlament fürchten ließ. Juan Guerra, Bruder des zweitmächtigsten Mannes im Staate, hatte seine familiären „connections“ zur Macht jahrelang genutzt, um dubiose Geschäfte zu seiner Bereicherung zu betreiben. Geschäftszentrum des Juan Guerra war just die Hochburg der Sozialisten: Sevilla. Im Zusammenhang mit dem Skandal Juan Guerra war häufig der Abtritt seines Bruders Alfonso von seinen Ämtern gefordert worden, bis vor zwei Monaten, oh Wunder, auch die rechte Volkspartei (PP) in einen Parteien -Finanzierungsskandal verwickelt wurde. Die Debatte um den Filz endete mit einem Stillhalteabkommen der beiden Großparteien PSOE und PP in Sachen Korruption - Anhebung des politischen Niveaus wurde das öffentlich genannt.

Doch angesichts möglicher Stimmenverluste heizt Alfonso Guerra in Sevilla erneut kräftig ein. „Die Rechte Andalusiens ist die widerlichste Rechte von ganz Spanien“, schreit er vom Podium. „Jahrhundertelang haben sie uns Andalusier im Elend gehalten, und jetzt wollen sie nur eins: verhindern, daß wir Sozialisten wieder gewinnen.“ Tausende von Zuschauern erheben sich begeistert klatschend von ihren Klappstühlen, die Claque in der Mitte schwenkt Fähnchen, „Alfonso, Alfonso“, schreit das Publikum. Juan Guerra ist vergessen.

Alle dort oben auf dem Podium reden vom Hunger, der in Andalusien geherrscht hat, von der Armut früher und davon, daß sich diese Region zu einer der blühendsten Europas entwickelt. Dahinter steckt die Drohung, der Hunger kehre zurück, wenn die Rechte gewinnt. Eine Drohung, die verstanden und angenommen wird. „Allein in Andalusien waren im vergangenen Jahr mehr als 300.000 Tagelöhner von der Landwirtschaftsbeihilfe abhängig“, erläutert Esteban Tabares, Leitungsmitglied der SOC, der radikalen Landarbeitergewerkschaft. Landlose Tagelöhner haben Anrecht, neun Monate im Jahr umgerechnet 450 DM zu erhalten, wenn sie 60 Arbeitstage nachweisen können.

Wegen der regionalen Arbeitslosigkeit (28 Prozent in Andalusien) kommen selbst diese 60 Arbeitstage nur durch öffentliche Aufträge zustande, die zu den Arbeitstagen auf dem Feld hinzugerechnet werden. Eine ganze Landbevölkerung ist damit faktisch von staatlichen Zuwendungen abhängig. „Die Tagelöhner Andalusiens haben heute eine Mentalität von Rentnern“, kommentiert Esteban Tabares bitter.

„Die Kraft des Südens“ heißt das Wahlkampfmotto der PSOE. Es ist die Kraft des Almosens in einer Gesellschaft ohne Arbeitsplätze und Perspektiven. Vermutlich reicht sie ein weiteres Mal für eine absolute Mehrheit.