Auch Zivildienstzeit muß verkürzt werden

Sollte der Wehrdienst auf zwölf Monate verkürzt werden, stellt sich erneut die Frage nach der Dauer des Zivildienstes / Ulrich Finckh: Alle Begründungen für einen ungleich längeren Zivildienst sind weggefallen / Wohlfahrtsverbände befürchten Notstand im Pflegedienst  ■  Von Bernd Müllender

Seit die Bonner Regierung ernsthaft erwägt, die Dauer des Wehrdienstes von 15 auf zwölf Monate zu verkürzen, wird im Nachsatz stets mit Freude verkündet, damit werde auch der Zivildienst von 20 auf 16 Monate reduziert.

Das ist zu lang, sagt dazu die Bremer „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e.V.“. Sie fordert statt der „diskriminierenden Zusatzzeit im Zivildienst“ endlich Gleichbehandlung: Nicht mehr als zwölf Monate Zivildienst.

Pastor Ulrich Finckh, der Vorsitzende der stärksten Lobby -Gruppe der Verweigerer, führt gegen eine Teilverkürzung an, daß „alle bisher gegebenen Begründungen“ für die Automatik des um ein Drittel längeren zivilen Dienstes weggefallen seien, seit 1984 das Bundesverfassungsgericht den längeren Verweigererdienst passieren ließ. Wegen der geplanten Reduzierung beider deutscher Armeen würden auch Reserveübungen stark eingeschränkt. Dies war immer als Argument für eine längere Zivildienstzeit herangezogen worden.

Zudem sei „die angeblich längere Wochendienstzeit der Bundeswehr seit der Dienstzeitumstellung im letzten Jahr hinfällig“. Alarmdienste der Soldaten würden eingeschränkt und seien somit ebenso kein Argument mehr.

Jetzt müsse endlich das Grundgesetz ernst genommen werden, in dessen Artikel 12 steht: „Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht überschreiten.“

Darüber hinaus fordert Finckh eine Amnestie aller Totalverweigerer und derer, die sich bisher durch Flucht nach Westberlin der Wehrpflicht entziehen konnten. Berlin soll in einem vereinten Deutschland seinen entmilitarisierten Status verlieren: „Sonst kämen die Berliner Behörden“, so Finckh, „in die fatale Situation, daß sie die Leute, die sie gestern noch angeworben und mit Blumensträußen empfangen haben, morgen an die Militärs der NVA oder der Bundeswehr ausliefern müssen.“

Noch völlig unklar ist die Behandlung derjenigen, die drei Monate vor dem Stichtag der Dienstreduzierung (1.10.90 oder 1.1.91) eingezogen werden. „Neue ungerechte Ungleichbehandlungen“ sieht auch Zentralstellen-Mitarbeiter Peter Tobiassen auf die Betroffenen zukommen und empfiehlt Phantasie bei der Herauszögerung des Einberufungstermins. Eine Möglichkeit sei der Antrag auf Nachmusterung. „Es darf nicht sein“, sagt Tobiassen, „daß diejenigen, die sich einen Anwalt leisten können, kürzer dienen und nur die Doofen länger zur Bundeswehr müssen.“

Bis jetzt hält sich die Hardthöhe mit Überlegungen für ausgleichende Übergangsregelungen zurück. Sprecher Oberstleutnant Salis zuckt auf Anfrage nur die zweifach laub - und sterngarnierten Schultern: „Anpassungen sind eine Entscheidung des Parlaments“, und „Überschneidungen wird es in jedem Fall geben. Das ist halt der Zustand.“

In Zukunft weniger Zivis

Saarbrücken (ap) - Die Zahl der Zivildienstleistenden in der Bundesrepublik wird nach Berechnungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) in den nächsten vier Jahren um 40 bis 50 Prozent sinken. Dies sei die Folge geburtenschwacher Jahrgänge. Hinzu komme noch eine „durchaus beunruhigende Situation“ aufgrund der Wehrdienstverkürzung, die auch zu kürzerem Zivildienst führe, sagte der Zivildienstexperte des DPWV, Rüdiger Schmidtchen, am Freitag im Saarländischen Rundfunk.

Vor allem die Pflegedienste für Behinderte und alte Menschen seien von Zivildienstleistenden abhängig. Auf die 700.000 hauptamtlichen Stellen in der gesamten Wohlfahrtspflege kämen bereits 114.000 Zivildienstplätze.