Neue Feinde für alte Kriegstreiber

■ Die Nato will sich künftig gen Süden orientieren

Berlin (taz/afp/ap) - Die Nato schießt sich auf ein neues Feindbild ein: Rechtzeitig vor dem Gipfel des westlichen Militärbündnisses am 5. und 6.Juli in London warnte ihr Generalsekretär Manfred Wörner vor „neuen militärischen Gefahren“, die durch die „Entwicklung der Dritten Welt“ entstanden seien. Diese „gestiegenen Risiken außerhalb Europas“ lauerten besonders im Nahen Osten und im Mittelmeerraum, „deren Entwicklung Europas Sicherheit direkt“ angehe. Wörner empfiehlt der Nato deshalb, „mobile Einheiten zum schnellen Einsatz“ sowie „integrierte multinationale Einheiten“ zu bilden. Die Allianz strebe nicht die Rolle eines Weltgendarms an und auch nicht über die Grenzen ihres Wirkungsbereiches hinaus, versicherte Wörner am Donnerstag vor dem Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI) in Paris, widerlegte sich aber mit dem Merksatz: „Sicherheit ist unteilbar“.

Für die Ost-West-Beziehungen prognostizierte Wörner dagegen eine Entwicklung der Nato „von der Konfrontation zur Kooperation“ und vom „militärischen zum politischen Pakt“. Konkret bedeute das auch eine Anpassung des Konzeptes der Vorwärtsverteidigung an die „neuen Realitäten“. Bei der Entwicklung der Ost-West-Beziehungen ebenso wie bei dem Verhältnis zwischen Europa und Nordamerika und bei der „festen Verankerung Deutschlands in die westlichen Sicherheitsstrukturen“ habe die Nato eine wichtige Rolle. Für die UdSSR bedeute eine deutsche Nato-Zugehörigkeit keine Bedrohung, behauptete Wörner, sondern schaffe ihr im Gegenteil langfristige Partner, die sie dringend nötig habe.

In krassem Gegensatz zu den aggressiven Tönen Wörners steht eine in Washington veröffentlichte Untersuchung, die im Auftrag des US-Kongresses erarbeitet wurde. Danach ist der Wert der Rüstungslieferungen von USA und Sowjetunion in die Dritte Welt in den vergangenen Jahren um „mehr als die Hälfte zurückgegangen“.

Verkauften die beiden Supermächte im Jahr 1982 noch Waffen für 61,4 Milliarden Dollar in die Dritte Welt, so waren es 1989 noch Waffen für 29,3 Mrd. Als Grund für die Einbußen, bei denen allerdings nur Geschäfte zwischen Regierungen und nicht diejenigen kommerzieller Firmen und der riesige graue Markt erfaßt sind, nennt die Studie die zunehmende Verschuldung der Dritten Welt. Außerdem verfüge die Dritte Welt noch über einen relativ großen Waffenbestand aus den Aufkäufen der 70er Jahre.

dora