Berlin: Das Ende der Besatzung naht

■ Schewardnadse unterbreitet sowjetischen Vorschlag zum alliierten Truppenabzug und zur Aufhebung des Sonderstatus der Stadt / Vier-plus-zwei Treffen beim Abbruch des Checkpoint Charlie und in Schloß Niederschönhausen / Genscher lehnt Übergangsregelungen ab

Berlin (ap/taz) - Das Ende der Oberhoheit der vier Siegermächte über Berlin und die volle Souveränität Deutschlands ist in Sicht. 45 Jahre lang übten die Alliierten die oberste Gewalt in Berlin aus - jetzt hat die Sowjetunion vorgeschlagen, binnen eines halben Jahres nach der Vereinigung Deutschlands die Militärkontingente der USA, Frankreichs, Großbritanniens und der UdSSR abzuziehen. Gleichzeitig sollen die Besatzungsbestimmungen über den Sonderstatus der Stadt aufgehoben werden.

Der sowjetische Außenminister Schewardnadse machte diesen Vorschlag gestern, als er mit seinen alliierten und deutschen Amtskollegen die letzte Stunde des alliierten Checkpoint Charlie feierte. Er wolle einen entsprechenden Dokumentenentwurf, der eine „abschließende völkerrechtliche Regelung mit Deutschland“ zum Ziel habe, bei den Vier-plus -zwei-Verhandlungen am selben Tag in Ost-Berlin vorlegen, kündigte Schewardnadse an. Nach seinem Zeitplan soll bei der dritten Ministerrunde der Vier-plus-zwei-Gespräche am 17.Juli in Paris das Grundkonzept für die Schlußerklärung vorliegen. Das Dokument selbst müsse schon auf der vierten Sitzung Anfang September in Moskau endgültig verabschiedet werden.

Die in der Grundsatzrede des sowjetischen Außenministers erwähnten Übergangsfristen für verschiedene Regelungen wurden allerdings gestern gleich ebenso grundsätzlich abgelehnt. Bei dem Treffen der deutschen und alliierten Außenminister in Schloß Niederschönhausen erklärte Genscher, daß mit der deutschen Einheit auch die volle Souveränität hergestellt werden müsse. US-Außenminister Baker und und der Brite Hurd unterstützen ihn darin. Genscher bezeichnete Übergangsfristen als „nicht angemessen“, Abwicklungfristen hingegen als möglich. Darunter seien zeitlich begrenzte und fest vereinbarte Erfüllungstermine zu verstehen, die keine Einschränkung der Souveränität bedeuten würden.

Die sowjetischen Hauptsorgen richteten sich gestern erneut auf die militärische Stärke eines künftigen vereinigten Deutschlands. Wie verlautete, sieht der Plan Schewardnadses eine Obergrenze von 200.000 Mann für Gesamtdeutschland vor. Das Tempo der innerdeutschen Prozesse hat sich nun auch auf die Zwei-plus-vier-Gespräche übertragen. Siehe auch Tagesthema Seite 3