„Geht's denn noch, Liebling?“

■ Bernd Meier gewann den 5. Berlin-Triathlon „Plötze 90“ /Bei den Frauen besiegte Regina Marunde überraschend Cornelia Bleul

Wedding. An einem naßkalten Sonntag morgen, an dem niemand auch nur einen Hund vor die Tür schicken würde, wollten 657 Triathleten am Plötzensee die Sau rauslassen. Hastig wurde ein letztes Mal Hand an das Rennrad gelegt oder Angehörige vergattert, bei welchem Kilometer sie dem Triathleten die Flasche mit dem Zaubertrank reichen sollten.

„Reach out for the Medal“, schluchzte am Straßenrand eine Tonkonserve den Akteuren zwischen 15 und 68 Jahren entgegen. Eine beeindruckende Menschenmasse fand sich nach und nach am Ufer ein zum ersten Teilstück, der 1,4 Kilometer langen Schwimmstrecke. Die meisten Dreikämpfer waren in Gummianzüge gekleidet, nur wenige Verwegene trauten sich in konventioneller Bademode in die 15 Grad kalten Fluten.

Nach dem Startschuß, kurz nach neun Uhr, zerpflügten Hunderte von kraulenden Armen die ruhige See im Berliner Norden. Für die Angehörigen der Gummireptilien wurde es unmöglich, ihre Liebsten im Auge zu behalten. „Hoffentlich kommt er gut an“, blickte eine Frau in den wolkenverhangenen Himmel. Ihr Mann habe sich von nichts und niemandem von der „Plötze '90“ abhalten lassen.

Während sich das Schlußfeld gerade mit dem feuchten Urelement anfreundete, stiegen die besten Schwimmer wieder aus dem Wasser. Nach knapp 20 Minuten betrat als erster Oliver Kusch (SISU Berlin) das Festland, gefolgt von einem unbekannten Russen und Bernd Meier (ebenfalls SISU). Geschickt absolvierte Kusch mit der belastenden Startnummer 007 die vierte Disziplin des Triathlon: das reibungslose Umkleiden.

Vor dem Führungstrio lagen nunmehr 40 Kilometer auf dem Rennrad. Nach und nach leerte sich ein gigantischer Fahrradständer. Eine der ersten „Trias“ überhaupt, die sich pitschnaß in den Sattel schwangen, war Cornelia Bleul, die hohe Favoriten auf den Berliner Damen-Titel. Niemand zweifelte an ihrem Sieg, wo sie doch so locker wirkte und gleichzeitig noch lächeln konnte.

Nach kaum einer Stunde kam der erste Pedaleure an. Zur Überraschung der wenigen Zuschauer war dies Bernd Meier. Rund drei Minuten hatte der kraftstrotzende Hühne seinen Mitkonkurrenten abgenommen, als er breitbeinig vom Radfahren in den 10,6 Kilometer weiten Laufparcours stocherte.

Ähnlich ulkig war das Erscheinungsbild von 007, dem Zweiten nach der zweiten Disziplin: die Haxen, ausgebeult vom Sitzen auf dem Drahtesel, wollten sich nicht ohne weiteres an die neue Gangart gewöhnen. Erst nach mehrmaligem Aufstampfen auf dem Boden schienen die unteren Extremitäten den Ernst der neuen Lage erkannt zu haben. Ganz anders hingegen Conny Bleul. Souverän lächelnd überspielte sie jedwede Anpassungsschwierigkeiten. Wer wollte jetzt noch an ihrem Triumpf zweifeln?

Zwischen Hoffen und Bangen bewegten sich hingegen der Rest. Je gebeugter „ihre“ Recken daherkeuchten, desto herzzerreißender wurde der bekümmerte Blick der Angehörigen. „Geht's noch Liebling?“ japste eine Ehefrau, deren Mann beinahe parallel zum Kettenkasten daherradelte. „Ja, ich bin noch gut drauf“, log er, daß sich der Rahmen verzog. Dann ließ er sein Gefährt fallen und brachte sich in einer bislang unbekannten Fortbewegungsart um die Ecke. Am Ziel herrschte bereits nervöse Stimmung. Wer würde als erster auf die von Maulwurfhügeln übersäte Schlußgerade einbiegen? Die Top-Favoriten waren geschlagen, also mußte es ein Außerseiter sein.

Bernd Meier wuchtete schließlich sein Trikot als Erster über die Ziellinie. Gerade mal zwei Stunden waren seit dem Startschuß vergangen. Hinter Meier hatte sich die Reihenfolge vollkommen geändert. Sehr zur Überraschung des Moderators, der nur noch die Startnummern 88 („Offensichtlich ein Pole.“) und 20 („Ich glaube, ein Russe.“) aufsagen konnte. Auch 007 und sogar Conny Bleul wurden von den Vorkommnissen überrascht. Oliver „007“ Kusche landete gerade noch unter den besten Zehn; Frau Bleul wurde kurz vor Schluß von Regina Marunde (LTC) um den Berliner Meistertitel gebracht.

Wie und wann die furchterregende Nachhut eintraf, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Jürgen Schulz