Ost-Premiere für den „Schwarzen Block“

■ Antifa-Demo in Lichtenberg: West-Hardliner schockierten Ost-Berliner Demonstranten / 21 verletzte Polizisten

Lichtenberg. Am Samstag nachmittag versammelten sich rund viertausend Menschen vor der Erlöserkirche zu einer „Antifaschistischen Großdemonstration“. Unmittelbarer Anlaß dazu war die noch immer unbehelligt arbeitende Zentrale der neofaschistischen „Nationalen Alternative“ in der Weitlingstraße im Stadtbezirk Lichtenberg. Zu dieser Aktion „gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus“ hatten laut der verteilten Flugblätter unter anderem der SJV, MitgliederInnen des Neuen Forums, die Autonome Antifa Berlin, FDJ, Umweltbibliothek, die Vereinigte Linke und andere Organisationen und Gruppen aufgerufen.

Eine Lautsprecherstimme kündigte gleich zu Beginn an, daß dies zwar „eine militante Demonstration gegen Faschismus“ wäre, nichtsdestotrotz aber solle dieser Protest nicht in Gewalt münden. Gegen 14.30 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Auffallend viele Demonstranten tragen Knüppel, Stuhlbeine oder Kabelenden bei sich. Ein „Schwarzer Block“ für viele Ost-Berliner noch ein gespenstischer Anblick - mit drei- bis vierhundert Mann, die über ihre Gesichtsvermummungen Stahlhelme aller Herren Länder gestülpt haben - hat sich formiert. Von ihm aus wird später auch der Gewaltexzeß ausgehen. Noch aber verläuft alles relativ ruhig, ein paar Hitzköpfe können zur Ruhe gebracht werden, nachdem die Polizei klugerweise dann doch darauf verzichtet hat, die Demo in der engen Giselastraße weiter mit einer Beamtenkette zu begleiten.

Vor dem Ausländerwohnheim in der Hans-Loch-Straße macht die Demonstration halt. Den BewohnerInnen dieses Objektes, die mehrfach zum Ziel neofaschistischer Angriffe geworden sind, versichern die Demonstranten ihre Solidarität. Sprechchöre wie „Ausländer bleiben - Nazis vertreiben“ finden großen Widerhall. Doch auf dem Rückweg über die Rummelsburger Straße wurde der „Schwarze Block“ immer unruhiger - sollte es zu ihrem Ärger tatsächlich friedlich bleiben? Aber nein schon war ein „Camel„-Verkaufsstand in Sicht, den man plündern konnte.

Als der Zug dort in Richtung Münsterlandplatz zur Abschlußkundgebung einbiegen sollte, gab es für die „Schwarzen“ kein Halten mehr. Mit Brandflaschen, Katapulten, Pflastersteinen wurde ein Angriff zelebriert, bei dem neben erheblichem Sachschaden auch Knochenbrüche, schwere Schnittwunden und Quetschungen bei den Polizisten zu beklagen waren, die ihrerseits Tränengas einsetzten.

Die Gegenwehr der Polizei war schwach, die sowieso nur Rinnsale von sich gebenden Wasserwerfer hatten vollauf damit zu tun, bis zum Eintreffen der Feuerwehr die brennenden Einsatzfahrzeuge zu löschen. Die Faschos der „Nationalen Alternative“ betrachteten derweil das Werk ihrer Gegner mit wachsender Begeisterung. Bilanz laut Polizei: 21 verletzte Polizisten, vier festgenommene Demonstranten - einer davon aus West-Berlin. Weitere Konsequenz: Innenminister Diestel (DSU) nahm das Geschehen zum Anlaß, schärfere gesetzliche Regelungen, bessere Bewaffnung und ein Vermummungsverbot anzukündigen. Über verletzte Demonstranten lagen bei Redaktionsschluß keine Angaben vor.

Olaf Kampmann