Demokratie jetzt oder nie

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(Wir stellen uns, ZDF, Sa., 23.6.) Seit längerer Zeit schon gibt sich das ZDF einmal im Monat Samstag nachmittags jovial: Hierarchen der Anstalt begeben sich in die Bütt, um sich der Kritik des Fernsehpublikums zu „stellen“. Frank Elstner, hauseigener Unterhaltungsamtmann, hält seinen Scheitel als Moderator hin, wenn handverlesene Grüppchen dankbar die leutselig dargebotene Chance ergreifen, im wohlerzogenen Für und Wider mit einem hohen Tier über Programmgestaltung zu diskutieren. Per TED dürfen auch wir Sesselpupser am heimischen Gerät uns prozentual beteiligen am Demokratie-Jetzt-Oder-Nie-Prozeß, damit die leitenden Herren, wie der Programmdirektor Oswald Ring am Samstag, befriedigt konstatieren können: „Dieses Ergebnis überrascht micht nicht.“

Sie sind überhaupt durch nichts zu überraschen, diese Hierarchen mit ihrer verbindlich klirrenden Freundlichkeit. Sie tragen ihre Programmverantwortung vor sich her wie das Becken, in dem sich schon Pontius Pilatus die Hände in Unschuld wusch. „Fernsehunterhaltung - braucht man das?“ war diesmal die rhetorische Frage, auf die Herr Ring tausend und keine Antwort gab. Kein Wunder, denn diese ZDF-Inszenierung dient einzig und allein dem Zweck, uns hinter der gestelzten Sprechblasenblubberei die Volksmund-Botschaft zu vermitteln: „Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“ Und wenn schon mal jemand von diesen ausgewählten Diskutanten im aggressiven Rundumschlag pöbelt: „Das ZDF -Programm-Niveau ist doch auf unterster Ebene angelangt“ ja, dann ist auf einmal kein Mikrofon mehr da und man hört nur noch entferntes Knödeln.

Im übrigen geht es manierlich und deutsch empfindend zu: Warum denn Frau Rothenberger nicht mehr die schöne Liedersendung mache? „Sie haben recht, gnä‘ Frau“, sagt Ring, „wir denken daran, sie wiederaufleben zu lassen.“ Wieso dauernd die ausländische Popmusik in Nase vorn und Wetten, daß...? Da wehrt sich aber Elstner: „Bei mir ist nachweislich der deutsche Musikanteil sehr hoch.“ Warum es im ZDF nie plattdeutsche Mundartsendungen gebe, wo doch „im ganzen Bundesgebiet viele Norddeutsche leben“, will ein ergrauter Niederdeutscher wissen. Tja, „das ZDF ist ein nationales Medium, da ist Verständlichkeit das oberste Gebot.“ Darf denn Ilona Christen nicht endlich mal im Abendprogramm moderieren? Sie macht doch den „Fernsehgarten“ schon so gut. „Sie haben recht. Wir denken darüber nach.“ Und wir am Bildschirm denken darüber nach, wie nett es doch ist, wenn man einfach mal frisch von der Leber weg ordentlich kritisieren darf und die Erkenntnis nach Hause trägt: Programmdirektoren sind auch nur Masken.

Sybille Simon-Zülch