Umweltkatastrophe in der Barentssee

Oslo (taz) - 100.000 Seehunde und Millionen von Seesternen sind bei einer Umweltkatastrophe im Weißen Meer, einem binnenmeerähnlichen Ausläufer des Barentssees vor der sowjetischen Kola-Halbinsel, getötet worden. Ursache laut Informationen der norwegischen Greenpeace-Sektion: ein Unfall mit Raketentreibstoff in der U-Boot-Basis Severodvinsk. Beobachtungen über große Mengen tot an Land geschwemmter Meerestiere wurden in den letzten beiden Wochen von unterschiedlichen Quellen von der Kola-Halbinsel gemeldet. Auch 'Tass‘ berichtete vor einigen Tagen über ein „unerklärliches“ Massensterben von Fischen und Seesternen im Weißen Meer.

Während zunächst die Folgewirkungen eines schweren Chlorgasunglücks in Verdacht geraten waren, meldet Greenpeace nun, daß große Mengen von Raketentreibstoff beziehungsweise von Komponenten hierfür, die aufgrund eines Unfalls in der sowjetischen U-Boot-Basis Severidvinsk an der Mündung des Flusses Dvina ins Weiße Meer gelangten, Ursache seien. „Wir haben die Informationen unter anderem von zwei sowjetischen Meeresbiologen und einem in Archangelsk wohnhaften Norweger“, berichtet Björn Ökern, Vorsitzender von Greenpeace-Norwegen. „Allein in der Nähe von Archangelsk ist eine 20 Zentimeter dicke Lage toter Seesterne an ein 2,5 Kilometer langes Strandstück angeschwemmt worden.“ Ökern weist darauf hin, daß gerade Seesterne äußerst wiederstandsfähig gegen Umweltgifte sind: „Sie sind selbst da zu finden, wo es sonst kein anderes Leben mehr auf dem Meeresgrund gibt. Was heißt, daß große Teile der Fauna des Meeresbodens des Weißen Meeres zerstört sein dürften.“ Dabei gilt gerade das Weiße Meer aufgrund seiner geschützten Lage als eine der „Kinderstuben“ des Polarmeeres, in dem sich eine Vielzahl der dort lebenden Meerestiere fortpflanzen.

Reinhard Wolff