Die Mechanik der Selbst-Rechtfertigung

■ Gespräch mit einem Regisseur und sechs Schauspielerinnen über Anouilhs Einakter „Das Orchester“

taz:Wie kommt man dazu, „das Orchester“ von Anouilh zu spielen?

Christiane Keppler, Bratsche: Was sich erst einmal als Grund an der Oberfläche anbietet: Die Geschichte ist damals so entstanden, daß ein Stück gesucht wurde, um mit mehreren Kolleginnen was zu spielen. Und da bietet sich das Stück ja an, zumal es Rollen bietet in fast jeder Altersstufe.

Das Stück?

Franz Wacker, Regie: Gespielt wird in dem Stück immer in den Pausen, wo keine Musik ist. Das ist also kurz nach dem Krieg und die sind froh, daß sie in dem Tanz-Orchester spielen können, weil, was anderes gibt es anscheinend nicht. Und da leidet jeder anders darunter oder hat sich arrangiert damit. Man muß das irgendwie abreagieren.

Das Oberthema ist also das Arrangement mit den Verhältnissen, das auch das Scheitern persönlicher Utopien ist.

C.K.: Scheitern würde ich nicht sagen. Zu einer Hälfte haben sie eben immer wieder bewältigt und gekämpft und probiert und immer drauf bestanden, daß es doch irgendwie weitergeht.

Hannelore Minkus, Orchester-Chefin: Die meisten von denen ma

chen sich immer noch was vor. Und wenn sie erzählen, wie sie die Größten sind, was menschlich ist, dann merkt das Publikum, daß nichts mehr stimmt von dem. Und das ist der Reiz dieses Stücks: Jeder weiß das und man kann zwar sehr lachen, aber man kann sich

auch unheimlich wehtun.

Ist das komisch?

F.W.: Ja. Tragisch komisch. Weil man ja weiß, daß das in Anouilhs Stücken sehr aussichtslos gemeint ist. Man weiß, die können sich Sachen vornehmen, es wird sich nichts verändern. weil man

sich selber nicht verändert.

Ausweglos?

F.W.: Von Anouilh aus, ja. In den Rollen gibt es aber schon Hoffnung, sonst würde das ja nicht funktionieren. Suzanne, die Cellistin, die ist innerhalb des Stückes die einzige Figur, die sagt, es

gibt keine Möglichkeit, außer daß ich mich befreie von diesem Leben und dann Selbstmord begeht.

U.S.: In ihrer Gedankenwelt ist das die einzige mögliche Konsequenz, aber in dem Stück gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich als Pamela zum Beispiel hab mir mein Leben anders eingerichtet. Suzanne ist eben sehr unglücklich, weil sie mit ihrem Typ nicht so richtig zusammensein kann, aber ich, ich bin auch unglücklich, manchmal, aber manchmal bin ich auch glücklich. Ich versuche praktisch die Negativ-Seiten mit den Positiv-Seiten auszugleichen.

F.W.: Ich finde eben sehr schön, daß da Leute für zwei, drei Stunden zusammenkommen und versuchen, Kommunikation zu treiben, die aber nicht funktioniert. Daraus wird nur Gerede.

Wäre denn Kommunikation eine Lösung?

F.W.: Das ist die Frage. Sind die Figuren überhaupt fähig dazu, eine wirklich echte Kommunikation zu betreiben. Das ist das, was bei dem „Liebesrausch auf Kuba“ die Leute wirklich äußern. Daß es eigentlich nicht so ist, wie sie es vorhin dargestellt haben.

Das wäre doch dann eine positive Utopie des Stückes: Könnten

sie doch ehrlich sein, sich selbst und den anderen gegenüber, dann würde das Leben anders funktionieren.

C.K.: Das ist in dem Stück nicht so weit ausgearbeitet. Das ist eine kleine Winzigkeit am Schluß. Das ist nicht einmal eine Perspektive, das ist nur so ein kleiner Zusammenbruch in den einzelnen Figuren.

Ist das dann eine Parabel auf die Unzulänglichkeit theoretischer Entwürfe?

C.K.:An theoretische Entwürfe ist da gar nicht gedacht. In dem Stück stoßen einfach die äußeren Bedingungen und die inneren Bedingungen jedes einzelnen aufeinander. Jeder einzelne ist ja irgendwie da reingesetzt, jeder einzelne hat seine Vorstellungen und es wird nicht nur gezeigt, daß die äußeren Bedingungen dagegen stoßen, sondern auch wie versucht wird, das dann zu fälschen. Das ist eigentlich der Inhalt des Stücks, die Mechanik, die jeder in sich entwickelt, die Rechtfertigung, die Apologie, ob jemand redet, wie jemand redet, ob jemand Argumente findet für sich, um sich da einzubauen.

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'Theater im Schnoor‘, bis 15.7., bei schönem Wetter im Freien, täglich 21 Uhr