Asyl-Hörspiel von Radio Bremen, RB 1 u. 2, 20.05-21 Uhr

■ „Die Schutzflehenden“ von Th. Vanesta

Das fremde Argos soll wohl die Bundesrepublik sein und die fünf Schwestern, Töchter einer antiken Aischylos-Dichtung, Aussiedlerinnen in einem Überbrückungslager. Zwischen diesen beiden ungleichen Stoffen spannt der Hörspielautor Thomas Vanesta (33, geboren in Marokko., aufgewachsen in Bremen, Chemielaborant, Krankenpfleger, seit 83 freier Schriftsteller) einen neuen Stoff aus - leider anscheinend nur für Ohren, die an klassisches Sprechtheater gewöhnt sind.

Denn spärlich sind die Geräusche, die er neben den Stimmen der fünf Frauen und den der vier Beamten verwendet: Windesrauschen läßt Bilder von fernen Ebenen, aber nicht von Lebensbedingungen, die man flüchten muß, entstehen; und Regenrauschen ist einfach Dauerregen. Die Seifenhände der Beamten schmatzen plötzlich ganz sinnenfroh zwischen die mutlosen Klagen der schutzsuchenden Schwestern.

Das Hörspiel beschreibt den Zustand der fünf vertriebenen Frauen; ihre Verlassenheit, ihre Niedergeschlagenheit, ihre Entfremdung. Zwar wird ihnen schließlich Asyl gewährt, doch die Umstände, unter denen sie den Schutz erhalten, lassen keine Freude aufkommen. Die monotonen Sprech-Akten aus Beamtendeutsch antworten nicht auf die Fragen der Frauen. Dialoge entstehen nicht zwischen Behörde und Mensch.

Dieser Kunstgriff ist wiederum sehr spannend, weil die unterschiedlichen Sprach-und Fühl-Ebenen hart aneinanderstoßen:„Wer schickt Sie?“ - „Seien Sie kooperativ.“ In dem Lager entsteht ein Vakuum: „ein fast luftleerer Raum mit leichtem Druck.“

Herr Vanesta baut Bedeutung und Sinn aus Worten zusammen, die einen emotionalen oder sinnlichen Zugang erschweren. „Es gibt keine Soldaten in Argos. Wir kriegen viermal zu essen am Tag. Unser Dorf ist zerstört. Junge Männer sind zerstritten und uneins. Unser Onkel wird nicht mehr aus dem Gefängnis zurückkommen. Wir können nicht zurück.“ Gegenüber die Behörden-Männer:„Papiere? Visa? Reisepaß? Die eine ist hübsch. Vor Mädchenhändlern geflüchtet wahrscheinlich. Sie können bleiben, aber keine Arbeit aufnehmen. Sie bekommen eine Wohnung zugewiesen. Sie werden in verschiedenen Städten untergebracht. Sie stehen nicht unter Schutz, sondernunter Fürsorge.„Sonne scheint nicht in Klänge übertragen, sondern wird besprochen - als Zeitmaß, welches mit dem Morgen und dem Abend im Lande Argos nichts mehr zu tun zu haben scheint. So beschwichtigt denn die eine, singt Heimatweisen die andere Schwester, wirft die dritte zynische Brocken der Erkenntnis dazwischen, sucht die dritte nach Erinnerungen und bleibt das Ganze an antik getönter Oberfläche.

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U-Satz:!!!!