Schwierzomper rechnet mit Haushaltskatastrophe

■ Schon 1991 hat West-Berlin kein Geld mehr, um den Ostteil der Stadt zu finanzieren / Defizit von sechs Milliarden DM / Hilfe vom Bund gefordert

Berlin. Magistrat und Senat rechnen nach der Wiedervereinigung mit einer „katastrophalen Haushaltslage Berlins“. Ohne den absehbaren Preis- und Lohnanstieg zu berücksichtigen wird das Haushaltsdefizit im zweiten Halbjahr 1990 mindestens 1,2 Milliarden DM betragen, erklärten die beiden Berliner Stadtoberhäupter Tino Schwierzina und Walter Momper gestern auf einer Pressekonferenz in Bonn (siehe auch Seite 5). Schon 1991 werde West-Berlin keine Mittel mehr haben, um den Ostteil der Stadt finanziell mittragen zu können.

Für 1991 rechnen beide mit einem Defizit des Ostberliner Haushalts von rund sechs Milliarden DM. Diese Summe werde dem Gesamtberliner Haushalt zugeschlagen. Die Bundeshilfe beträgt für 1991 über 13 Milliarden DM. Gegenüber dem Vorjahr sei das lediglich eine Steigerung um zwei Prozent, gerade mal ein Ausgleich der Inflationsrate. Momper und Schwierzina forderten, daß der Bund das Defizit aus dem Osten mitträgt. Die Kosten der Wiedervereinigung könne die Stadt nicht alleine tragen. Während Städte wie München, Hamburg oder Köln vom 1. Juli nicht unmittelbar betroffen sein würden, werde Berlin wie keine andere Stadt unmittelbar durch die deutsche Vereinigung belastet.

Allein die Wiederherstellung der Bahnhöfe der U-Bahnlinien 4 und 8, die seit dem Mauerbau weitgehend stillgelegt waren, kostet 258 Millionen Mark der DDR. Für die Wiederherstellung der Straßenverbindungen werden nach Schätzungen des Senats 170 bis 200 Millionen DM erforderlich sein. Die Sanierung der Oberbaumbrücke ist darin nicht enthalten, sie alleine wird etwa 160 Millionen DM kosten. Da zur Zeit alle Städte und Gemeinden der DDR Finanzsorgen hätten, liege die Verantwortung für die Ausstattung der öffentlichen Hände sowohl beim Bund als auch bei der DDR-Regierung, meinte Schwierzomper.

Die Entscheidung der DDR-Regierung, West-Güter mit einem elfprozentigen Schutzzoll belegen zu wollen, bezeichnete Schwierzomper als lebensfremd. Das mitten in der DDR liegende West-Berlin werde dadurch zu einem riesigen zollfreien Kaufhaus, in dem dann Millionen von West-Bürgern regelmäßig West-Waren einkaufen würden. Die Maßnahme treffe nur die, die in der DDR fernab vom Westen wohnen. Schwierzomper glaubt nicht, daß die Importsteuer lange zu halten sein wird. Die DDR brauche keine Schutzzölle, sondern eine solide Wirtschaftsförderung.

Berlin habe nach der Öffnung der Grenzen nicht die Wirtschaftskraft, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Die Berlin-Förderung könne daher frühestens ab 1993, dann schrittweise in sieben Jahren, abgebaut werden.

ccm