KWVs machen in Kapitalismus

■ Ost- und West-Mietervereine befürchten, daß die Mieten in Ost-Berlin auf das Fünf- bis Zehnfache steigen können, wenn die Kommunalen Wohnungsverwaltungen nicht zur Gemeinnützigkeit verpflichtet werden

Berlin. „Die Kommunalen Wohnungsverwaltungen fangen jetzt an, die Sorte von Kapitalismus zu praktizieren, die sie jahrzehntelang in Karl-Eduard von Schnitzlers 'Schwarzem Kanal‘ angucken durften“, meinte kürzlich Erich Jesse, Referent beim Ostberliner Baustadtrat Thurmann. Ähnliches befürchten auch die Mietervereine von Ost- und West-Berlin: Sie gaben gestern eine gemeinsame Pressekonferenz und verlangten, daß die Ost-Berliner KWVs, die zum 1.Juli in elf bezirkliche Kapitalgesellschaften umgewandelt werden, per Satzung zur Gemeinnützigkeit verpflichtet werden. Dies sei jetzt, entgegen den Versprechungen des Magistrats, keineswegs der Fall, meinte Vereinsgeschäftsführer Vetter. Außerdem fordere man nach der Wiedervereinigung eine Gemeinnützigkeit auf Landesebene für ganz Berlin. Die Wohnungsgemeinnützigkeit ist von der BRD-Regierung im Rahmen der Steuerreform zum 1.1.90 abgeschafft worden.

Die derzeitigen Satzungen der Kommunalen Wohnungsverwaltungen, die 370.000 der etwa 600.000 Ostberliner Wohnungen verwalten, bieten nach Ansicht beider Mietervereine den Mietern langfristig nicht genügend Schutz. So seien die Unternehmen nicht per Satzung zur Mietpreisbindung verpflichtet. Es gebe lediglich eine Begrenzung auf die Kostenmiete. Diese Kostenmiete werde jedoch voraussichtlich fünf- bis zehnmal so hoch sein wie die heutige DDR-Miete, denn dazu gehörten die Kosten für Instandsetzung, Modernisierung und die Verzinsung. „Wir haben jetzt schon im Altbau einen Schwarzmarkt mit weit überhöhten Preisen, die Mietpreisbindung ist nicht zu halten“, meinte Regine Grabowski, Vorsitzende des Ostberliner Mietervereins. Außerdem seien die KWVs nach der jetzigen Satzung nicht verpflichtet, sogenannte behördlich genehmigte Mustermietverträge abzuschließen. In diesen Mustermietverträgen sind Abweichungen zum Nachteil des Mieters ausgeschlossen. Dazu gehört vor allem der Ausschluß von Eigenbedarfskündigungen oder von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen, also um eine Wohnung teurer verkaufen zu können. Auch dürfen gemeinnützige Gesellschaften nur vier Prozent Gewinn machen und den Gewinn nicht in branchenfremde Betriebsteile - etwa Hotels oder Gewerbe - stecken, was die KWVs jetzt dürfen. „Wir haben das Gefühl, daß unsere Baupolitiker die Ihren jetzt rechts überholen“, meinte Frau Grabowski.

Sie kündigte an, man werde sich mit den Westberlinern zusammenschließen, sobald es eine gemeinsame Stadtregierung gebe. Der Ostberliner Mieterverein hat derzeit etwa 1.000 Mitglieder, täglich melden sich 20 bis 40 neue Interessenten an. „Allerdings denken unsere Bürger jetzt vor allem an die Währungs- und Wirtschaftsunion, die Sozialunion kommt später“, sagte sie.

esch