Aus der Sicht der Opfer

(Eurocops, So., 24.6., 21.4l5 Uhr, ZDF) Die Auseinandersetzungen um jene berühmte und in gewissen Kreisen berüchtigte Folge der Schwarzwaldklinik, in welcher die Brutalität einer Vergewaltigung in annäherndem Realismus gezeigt wurde, muß den Programmverantwortlichen des ZDF noch in den Knochen stecken. Auch in der Folge Taxi ins Jenseits, zu der Serie Eurocops vom Schweizer Funkfunk beigesteuert, hatte eine drastisch -realistische Vergewaltigungsszene zentrale Bedeutung, und so verschob man sie vom „familienfreundlichen“ Sendeplatz am Freitag abend auf den Sonntag, an dem parallel auch noch in der ARD ein Weltmeisterschaftsspiel mit der deutschen Mannschaft übertragen wurde. Größere Vorsorge kann man kaum noch treffen, um eine möglichst geringe Einschaltquote zu erzielen.

Vorenthalten bleiben sollte dem Fernsehpublikum die Geschichte zweier Frauen, die nach dem Besuch einer Gaststätte per Taxi heimfahren. Unter dem Vorwand, gleich Feierabend machen zu wollen, ruft der Fahrer einen Kollegen, der die Frau mit dem entfernteren Fahrtziel übernehmen soll. Statt dessen versuchen beide gemeinsam, die Frauen zu einem Bummel zu überreden, und werden handgreiflich, als diese die Einladung ablehnen. Es kommt zu der doppelten Vergewaltigung und einem Totschlag aus Notwehr. Eine der Frauen hat in ihrer Not die Scheibe einer Gaststätte eingeschlagen und wird in völliger Verkennung der Situation der Polizei übergeben. Dem Beamten gegenüber erklärt sie, verfolgt worden zu sein, verzichtet aber auf eine Anzeige. Am anderen Tag wird die Leiche eines der beiden Fahrer gefunden, und es fällt der Kripo nicht schwer, einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen zu konstruieren. Der wahre Sachverhalt aber bleibt den Beamten zunächst verborgen, denn die beiden Frauen gehen mit detektivischem Spürsinn und Geschick selber daran, den eigentlich Schuldigen zu stellen.

Regisseur Erwin Keusch, bekannt durch seine Kinofilme Das Brot des Bäckers, In der Bärengrube und Der Flieger, hat das Drehbuch von Annemarie und Claude Cueni weitgehend stil- und geschmackssicher, das heißt unter Verzicht auf spekulative Effekthascherei inszeniert. Kleine Patzer, wie die mitunter allzu theaterhafte Spielweise der Sunnyi Melles, wirkten kaum störend, eher schon die nicht ganz schlüssige Auflösung. Die beiden Frauen zwingen den Täter nämlich zum Geständnis, lassen seine Worte von einem Walkie-talkie übertragen, und seine Taxi-Kollegen wie die beiden herbeieilenden Polizeibeamten hören über ihre Auto -Funkgeräte mit. Dies ist so (zumindest in der BRD) nicht möglich, da Sprechfunkgeräte für den privaten Gebrauch auf anderen Frequenzen senden als die von Hilfsdiensten, Gewerbebetrieben etc.

Lob verdient dagegen, wie AutorInnen und Regisseur der Perspektive der beiden Opfer den Vorrang lassen vor der Polizeiarbeit, es ihnen aber dennoch gelingt, die beiden Polizisten, den Anfäger und den verbitterten Routinier, zumindest ansatzweise zu charakterisieren. Für solche Produktionen, so lautet das Fazit, hat sich der besondere Aufwand für die von sieben europäischen Ländern hergestellte Sendereihe doch eigentlich gelohnt.

Herr Dittmeyer