: Schäuble will Berufsverbote für die DDR
Im Bonner Entwurf für den zweiten Staatsvertrag mit der DDR sollen durch weitgefaßte Bestimmungen fristlose Entlassungen im öffentlichen Dienst möglich werden / BRD-Innenministerium erwägt Neugliederung aller deutschen Länder, um die „innerdeutsche Grenze nicht festzuschreiben“ ■ Von Götz Aly
Berlin (taz) - Im Entwurf der Bundesregierung für einen zweiten Staatsvertrag sind Vorschriften für eine Berufsverbotspraxis im öffentlichen Dienst der DDR enthalten, die außerordentlich dehnbar sind und je nach politischem Bedarf eingesetzt werden können. Den Wortlaut des entsprechenden Paragraphen teilte gestern der Westberliner AL-Abgeordnete Benedikt Hopmann mit. Der entscheidende Absatz im Kapitel VI (Art.1, §4, Abs.3) steht unter der Überschrift „Übergangsvorschriften für den öffentlichen Dienst“. Er lautet: „Das Arbeitsverhältnis kann fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der berührten Interessen unzumutbar macht, fristgemäß zu kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor und es muß gekündigt werden, wenn der Beschäftigte vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder die freiheitlich -demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekämpft hat, wie auch, wenn er dem früheren SED-Regime unter anderem durch Wahrnehmung geheimdienstlicher oder staatssicherheitspolizeilicher Aufgaben für den Staatssicherheitsdienst erheblichen Vorschub leistete.“ Während Hopmann davon spricht, daß „damit die unselige bundesdeutsche Tradition der Berufsverbote auf die Spitze getrieben“ werde, sieht das Bonner Innenministerium darin eher eine „Regelung für besondere Fälle“.
Unterdessen will allerdings Baden-Württemberg gerade „vor dem Hintergrund der Entwicklung in der DDR“ am alten bundesdeutschen Radikalenerlaß festhalten: „Es wird sicherlich Probleme geben, wenn beispielsweise ehemalige Mitglieder der SED in der Bundesrepublik als Lehrer ins Beamten- oder Angestelltenverhältnis übernommen werden wollen“, meinte der Regierungssprecher gestern.
In dem Entwurf, den die Bundesregierung nur als „Diskussionspapier“ verstanden wissen will, sind außerdem detaillierte Regelungen zur Auflösung der DDR enthalten. Im Dezember soll demnach in zwei getrennten Wahlgebieten ein einheitlicher Deutscher Bundestag gewählt werden. Das ist deswegen notwendig, weil sonst die Fristen nach dem Bundeswahlgesetz überhaupt nicht eingehalten werden könnten. Für Parteien, die nur in der DDR zur Wahl antreten, wird dabei eine Drei-Prozent-Klausel erwogen. Während für die neuzubildenden Flächenstaaten der DDR noch einige Zeit unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten sollen, soll es für Gesamt-Berlin schneller gehen. Offensichtlich ist auch an eine Übernahme der bundesdeutschen Wehrgesetzgebung für Berlin gedacht. Schäuble deutete auch Pläne für eine Neugliederung der Bundesländer insgesamt an. Er erklärte das mit der Gefahr, daß sonst „die innerdeutsche Grenze in Form der Ländergrenzen“ auf Dauer festgeschrieben würde.
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