„Friede der Gebärmutter“

In ganz Ungarn machen Abtreibungsgegner der „Pacem-in-utero„-Bewegung mobil / Neuer Gesundheitsminister Lazslo Surjan unterstützt die Bewegung  ■  Aus Budapest Roland Hofwiler

Sie nennen sich „Friede dem Uterus“ - pacem in utero - und laufen Sturm gegen die liberale Abtreibungspraxis. Ungarn sei im Verhältnis zur Geburtenrate das Land mit den meisten Schwangerschaftsabbrüchen der Welt, sagen sie. Und sie rechnen vor: 4,5 Millionen Abtreibungen hätten die Kommunisten seit Kriegsende auf dem Gewissen und jährlich entschlößen sich 20.000 Frauen „zum Mord am ungeborenen Leben“.

Das müsse nun endlich anders werden, jetzt da seit Mai erstmals ein freigewähltes Parlament die Geschicke der Magyaren in die Hände genommen habe.

So organisieren im Augenblick überall zwischen Miskolc und Pec Pacem-in-utero-Aktivisten Unterschriftensammlungen, mit denen die Budapester Parlamentarier gezwungen werden sollen, die derzeitigen Abtreibungsgesetze aufzuheben.

In einer Gesetzeslücke erspähen die Abtreibungsgegner, die massiv von der zu neuem Selbstbewußtsein erwachten katholischen Kirche und der Christdemokratischen Partei unterstützt werden, ihre große Chance. Denn ihre praktische Freigabe ist noch durch eine einfache Verordnung des Ministerrates aus der Kaderzeit geregelt, während das Strafgesetzbuch den Schwangerschaftsabbruch weiterhin als kriminellen Tatbestand anerkennt.

Wie so manche antiquierte Verordnung der Kommunisten wird auch diese gegenwärtig vom Budapester Verfassungsgerichtshof überprüft. Und sollte sie verworfen werden, müßte das Parlament auch diese Paragraphen ändern.

Daß es soweit komme, hoffen die entschiedenen Abtreibungsgegner, die mit dem neuen Gesundheitsminister Laszlo Surjan ihr parlamentarisches Zugpferd aufbauen. Als überzeugter Katholik kann Surjan, wie der Papst, nur natürliche Methoden der Verhütung akzeptieren. Die Abtreibungsgründe seiner Parlamentskollegen - Wohnungsnot, geringes Einkommen und Überarbeitung der Eltern - will er nicht hinnehmen.

Im Budapester Parlament wird die Anti-Abtreibungskampagne noch belächelt. Selbst das regierende „Demokratische Forum“ unter Premier Jozsef Antall, eher Mitte rechts stehend als linksliberal, beschränkt sich zusammen mit der Ärzteschaft auf eine Aufklärungskampagne, in der die Sorglosigkeit ungarischer Männer angeprangert und verschiedene Formen der Verhütung, nicht zuletzt im Hinblick auf Aids, propagiert werden.

Für Surjan und seine Anhänger der falsche Weg. Sie sammeln täglich Unterschriften für ein striktes Abtreibungsverbot und wollen notfalls gar einen Volksentscheid erzwingen, was ihnen ohne weiteres gelingen könnte, da dazu lediglich 130.000 Unterschriften vonnöten sind. Ungarn könnte so eine ähnlich kontroverse Abtreibungsdebatte ins Haus stehen wie derzeit der DDR.