Bescheidenes Finale im Imhausen-Prozeß

Staatsanwaltschaft fordert im Mannheimer Verfahren um die Giftgasfabrik in Rabta sechseinhalb Jahre Haft / Differenzen in der Anklagebehörde / Staatsanwalt Klein rückt die Dimensionen zurecht: Es geht um Massenvernichtungswaffen / Heute Urteilsspruch  ■  Aus Mannheim Th. Scheuer

Mit einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren soll der Lahrer Unternehmer Jürgen Hippenstiel-Imhausen seine „entscheidende Mitwirkung“ bei Planung und Bau der Giftgasfabrik im libyschen Rabta büßen. Dies forderte Oberstaatsanwalt Wechsung am Dienstag in seinem Schlußplädoyer im Mannheimer Rabta-Prozeß.

Die Verletzung des von ihm selbst freimütig als unzulänglich kritisierten Außenwirtschaftsgesetzes will Wechsung mit der Höchststrafe von drei Jahren geahndet sehen; auf die sattelte er wegen Steuerhinterziehung noch mal dreieinhalb Jahre drauf - ein Strafantrag, der vom Presse-Publikum allgemein als eher moderater Tarif gewertet wurde. Hippenstiels Verteidiger Kullen zog dagegen das angenommene Ausmaß der Steuerhinterziehung in Zweifel, welche nur mit „zwei, maximal drei“ Jahren bestraft werden dürfe. Sein Plädoyer entbehrte nicht einiger origineller Details; so etwa, wenn er die „Tarnung“ des Libyen-Deals, die berühmte Fabrik-Doublette in Hongkong, zu quasi abzugsfähigen Betriebskosten erklärte.

In einem beeindruckenden Plädoyer hatte Staatsanwalt Hans -Heiko Klein zuvor auf die politisch-moralische Dimension des zur Verhandlung stehenden Wirtschaftsverbrechens hingewiesen: Daß es nämlich um eine Giftgasfabrik, mithin um die Herstellung abscheulichster Massenvernichtungsmittel gehe - ein Aspekt, den das Gericht bisher fein aus dem Verfahren herauszuhalten verstand. Natürlich gebietet die Rechtsstaatlichkeit, daß politische Erwägungen sich im Urteil nicht niederschlagen dürfen.

Doch daß in Mannheim verhandelt wurde, „als ginge es um eine Wurstfabrik in der Wüste“, fuchste nicht nur den Kommentator des 'Mannheimer Morgen‘. Offenbar hatte es darüber auch innerhalb der Staatsanwaltschaft Stunk gegeben. Da nutzte ein offensichtlich unter innerem wie äußerem Druck stehender Ermittlungsführer Klein dann sein Plädoyer, um sich Luft zu machen: Ausführlich zitierte er aus einem drastischen Frontbericht von 1915 über einen deutschen Gaseinsatz im Ersten Weltkrieg und verwies auch auf die irakischen Giftgasattacken gegen Kurden. In Hippenstiels Teilgeständnis habe er, so Klein, am meisten den Satz vermißt, wonach jener hoffe „daß dieses Teufelszeug nie und nimmer zum Einsatz kommt“.

Erst am vergangenen Freitag hatte ein fragwürdiger Kompromiß zwischen den Prozeß-Parteien Klein wieder mal „Bauchgrimmen“ beschert, als dessen Folge das ganze finanzielle Ausmaß des Rabta-Deals wohl für immer im Dunkeln bleiben wird. Bis vor kurzem wurde nämlich aufgrund eines nur geschätzten Geschäftsvolumens von 16,3 Millionen hinterzogener Steuern ausgegangen. Die Anklage war schon geschrieben, da flatterte den Staatsanwälten diesen Mai der Vertrag auf den Tisch, den der Lahrer Unternehmer im September 1984 in Wien mit dem Gadaffi-Berater Barbouti und zwei libyschen Offiziellen über „Pharma 150“ abgeschlossen hatte, und aus dem das ganze Auftragsvolumen in Höhe von 255,8 Millionen DM hervorging. Hippies Gewinn, so schätzte das Finanzamt neu, muß um „zig Millionen“ über dem ursprünglich angenommenen Betrag gelegen haben.

Oberstaatsanwalt Wechsung, wollte aber „im Interesse einer schnellen und effektiven Strafverfolgung“ keine Verzögerung durch neue Ermittlungen in Kauf nehmen. So wurde mit Zustimmung der Anklagebehörde das Verfahren auf die ursprünglich angenommene, niedrigere Steuerhinterziehung beschränkt. Damit ist Hippenstiel-Imhausens Rechnung aufgegangen: Der hatte sein Teilgeständnis vom vorletzten Mittwoch nämlich mit der Bedingung verbunden, die ursprünglich getrennt laufenden Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und Außenwirtschaftsgesetz zusammenzulegen.

Mit diesem geschickten Schachzug haben der Techno-Söldner und seine Anwälte - neben einem satten Strafabschlag - vor allem eines erreicht: Jene 15.000 Blatt Bankbelege und -korrespondenz, die eidgenössische Fahnder im Wege der Rechtshilfe beim Schweizerischen Bankverein in Zürich eingesackt hatten, werden nun nicht mehr gerichtsöffentlich gewürdigt.

Für den kurzen Prozeß gegen Imhausen kommen sie zu spät. So wird das ganze finanzielle Ausmaß das Rabta-Deals ebenso wie der tatsächliche Gewinn, der teilweise auf Konten in der Schweiz und Hongkong schlummern dürfte, wohl für immer im Dunkeln bleiben. Jürgen Hippenstiel-Imhausen selbst bat, von fast 14 Monaten U-Haft sichtlich gebeutelt, in einem knappen, stockend vom Blatt abgelesenen Schlußwort das Gericht um ein Urteil, „das mir noch gewisse Hoffnungen an ein künftiges Leben läßt“.