Freudloser Tabubruch

■ Schwedischer Skandalfilm aus dem Jahr 1951 „Sie tanzte nur einen Sommer“ um 19.30 Uhr auf 3sat

Inzwischen ist der schwedische Spielfilm Sie tanzte nur einen Sommer von der Freiwilligen Selbstkontrolle ab sechzehn Jahren freigegeben, aber die Aufführung im Jahre 1951 war im Herkunftsland begleitet von heftigen Auseinandersetzungen über das jugend- und allgemeinheitsgefährdende Potential des Streifens. Die prüde Öffentlichkeit stieß sich an einer nach heutigen Maßstäben völlig harmlosen Nacktbadeszene.

Besonders erbost zeigten sich die PuritinerInnen darüber, daß Männlein und Weiblein in naturbelassenem Zustand gemeinsam ins Meerwasser stiegen! So etwas hatte man auf der Leinwand noch nicht gesehen. Unmoral und Sittenlosigkeit dräuten, doch vor den gestrengen Augen der Zensoren fand der Film Gnade und passierte ohne Beanstandung, weil diese mittlerweile filmgeschichtlich relevante Sequenz mit der Kitschgrenze sich haarscharf nähernden idyllischen Natur und Gegenlichtaufnahmen poetisch verbrämt und so offensichtlich ohne Arg und Unziemlichkeit plaziert war, daß jeder Einwand lächerlich gewirkt hätte.

Immerhin waren die zwei entblößten Körper spektakulär genug, um den Film nicht nur in Schweden, sondern weltweit zu einem Kassenhit und seine Hauptdarstellerin Ulla Jacobsson zu einem Sexidol zu machen.

Die Geschichte von Sie tanzte nur einen Sommer ist dagegen vergleichweise sauertöpfisch und alles andere als tabubrechend. Ein Student aus der Großstadt verliebt sich in eine gottesfürchtige Landmaid. Der streng puritanischen Umgebung zum Trotz begehen die beiden „unkeusche“ Handlungen, und als die Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, sehen sich der Dorfpfarrer und seine Glaubensbrüder und -schwestern bestätigt. Für sie ist klar: Gottes eigene Hand gebot dem unzüchtigen Treiben Einhalt!

Nach dem gleichen, recht erfolgsträchtigen Muster entstanden ähnliche Spielfilme, zum Beispiel Ingmar Bergmanns Zeit mit Monika. In allen wurde der behutsame Tabubruch durch starke religiöse und moralisierende Gehalte konterkariert. Diese Dramaturgie half zwar, einen Eingriff der Zensur zu vermeiden, führte aber auch zu einer freudlosen und fast schon abschreckenden Darstellung der Sexualität.

Immerhin brachen diese moralingetränkten Zellulidrollen eine Bresche für den „freizügigen Film“ und ermöglichten so erst die in mehrfacher Hinsicht offenen Arbeiten der späteren Jahre.

Harald Keller