„Der Kapitalismus hat gesiegt“

Freude beim 30.Weltkongreß der Internationalen Handelskammer über weltweiten Vormarsch des Kapitalismus  ■  Aus Hamburg Florian Marten

„Eine Utopie ist Realität geworden. Das, was wir gewünscht und erträumt haben, ist Wirklichkeit geworden.

Der Kommunismus verschwindet bald. Die Marktwirtschaft dringt überall vor. Bis vor kurzem bestimmte die Angst vor dem Reich des Bösen die amerikanische Außenpolitik. Jetzt leben wir in einer anderen Welt.“

Gaststar Henry Kissinger ließ bei der gestrigen Eröffnungssitzung des 30.Weltkongresses der International Chamber of Commerce (ICC) - eine Art internationaler Handelskammer - den Mantel der Geschichte durch das häßliche Hamburger Congreßzentrum wehen.

Über 2.000 Vertreter von großem Kapital und großer Politik aus 110 Ländern wollen bis zum Donnerstag die Utopie eines neuen Weltzeitalters diskutieren, ein Zeitalter, in dem nicht mehr nationale Regierungen und die Militärs den Ton angeben, sondern das internationale Großkapital die Spielregeln diktiert.

Internationale Handelsregeln nach Geschmack der ICC, weltweite Privatisierung öffentlichen Eigentums, Umweltschutz nur auf marktwirtschaftlicher Basis (Verbraucher sollen zahlen) - dies sind die Hauptthemen des nach 1937 (Berlin) erstmals wieder in Deutschland tagenden ICC. 6.000 internationale Multis und 1.500 Wirtschaftsorganisationen sind Mitglied des ICC, das sich als einziges legitimes internationales Sprachrohr des privaten Unternehmertums versteht, „als notwendiges Gegengewicht zu allen staatlichen Organisationen.“

„Freier Handel in einer offenen Weltwirtschaft ist eine unerschöpfliche Quelle des wirtschaftlichen Wachstums und des Wohlstands“ - Richard von Weizsäcker gab dem Kongreß die Richtung vor.

Etwas persönlicher sah der Hamburger Ostasienhändler Carl Heinz Illies, Chef der deutschen Gruppe im ICC, die Sache: „Wir glauben daran, daß Unternehmer, die mit ihrer Person und mit ihrem Vermögen verantwortlich sind, die Wirtschaft immer noch besser gemäß den Bedingungen der Menschen führen als der Staat.“

Der schwedische ICC-Chef Peter Wallenberg setzte noch eins drauf: „Das ICC hat den Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaften aufs herzlichste begrüßt. Jetzt sind wir endlich soweit. Wir können mit der Liberalisierung auf allen Gebieten fortfahren. Das private Unternehmertum wird von seiner Fessel befreit. Wir wollen die Regierungen auf eine bescheidene Rolle zurückdrängen.“

Am Abend zuvor hatte die GAL auf einer gutbesuchten ICC -Gegenveranstaltung die Niederlage eingeräumt.

Das Fazit von PDS über Radikale Linke bis GAL: „Ja, der Kapitalismus hat gesiegt.“ Ihr Ausblick: Alles wird schlimmer.

(Wenn man statt gegen den Kapitalismus zu kämpfen, lieber gegeneinander kämpft, bestimmt! d.sin)