Beschiß kommt vor dem Rausschmiß

■ Sparkassen verweigern ausländischen ArbeiterInnen Umtauschkurs von 1:1 / Strafrechtliche Konsequenzen

Berlin (taz) 1:1 - nur für Deutsche? Nach diesem Motto verfahren offenbar mehrere Sparkassen und Betriebe in Halle und Dessau. Nach Informationen der Ausländerbeauftragten beim Berliner Magistrat, Anette Kahane, und der Ausländerbeauftragten beim Ministerrat, Almuth Berger, weigern sich Sparkassen, den dort lebenden VietnamesInnen und MozambiquanerInnen DDR-Mark zum Kurs von eins zu eins in D-Mark umzutauschen. In den letzten Tagen haben sich nach Angaben eines Mitarbeiters der Berliner Ausländerbeauftragten zahlreiche ausländische ArbeiterInnen über diese Praxis beschwert. Einige Betriebe spekulieren überdies mit der Verunsicherung unter den ausländischen ArbeiterInnen und versuchen diesen weiszumachen, sie dürften nur im Betrieb eins zu drei tauschen - nach Ansicht der Berliner Ausländerbeauftragten ein klarer Betrugsversuch. Ein Informationsblatt der DDR-Ausländerbeauftragten, Frau Berger, das ArbeitnehmerInnen aus Vietnam, Mozambique, Angola und Kuba auf ihre Rechte hinweist, sei von Betriebsleitern mit den Worten „Das ist illegal“ ignoriert worden. Kahane und Berger drohten gestern strafrechtliche Konsequenzen an. Auf den Umtausch von maximal 4.000 DDR-Mark zum Kurs von eins zu eins haben alle in der DDR lebenden BürgerInnen Anspruch - ungeachtet ihrer Nationalität. Dies ist in den Vereinbarungen festgelegt, die Frau Berger im Mai und Juni nach Verhandlungen mit den Regierungen in Vietnam, Mozambique und Angola getroffen hat. Das Westberliner Vietnam-Haus, eine Beratungs- und Informationsstelle für VietnamesInnen, hat unterdessen gefordert, in den Betrieben und Kommunen unabhängige Ausländerbeauftragte einzusetzen wenn möglich ausländische ArbeitnehmerInnen, die das Vertrauen ihrer Landsleute besitzen.

Von der Währungsreform einmal abgesehen bringt der 1. Juli für die rund 80.000 BürgerInnen Vietnams, Angolas, Mozambiques und Kubas einschneidende Verschärfungen. Die Subventionierung der Wohnunterkünfte entfällt mit dem Einzug der D-Mark. Statt bislang 30 Mark-Ost müssen ausländische Arbeitnehmer für ihr Bett zukünftig 225 Mark-West bezahlen. Damit wird - bei drohender Arbeitslosigkeit - auch denen, die in der DDR bleiben wollen, nur ein Ausweg bleiben: zurück nach Hause.

Andrea Böhm