Lehr-und Lernkörper gemeinsam

■ Hochschule Bremen gibt Scherf eine Frist / Demonstration und Aktionen vor der Bürgerschaft

Die Kiste vor der Bürgerschaft ist fast leer: ein Meßgerät aus 1963, ein Paket Kreide und eine Packung Windeln sind der müllige Inhalt, der dem abwesenden Wissenschaftssenator Scherf die schreiende Not Bremer StudentInnen demonstrieren soll. Die

Beobachterin konnte die Pampers-Packung allerdings nicht so recht deuten. Ob der schwindsüchtige Lehrkörper, das überlastete mittlere Personal, die völlig veralteten Labors und die Unterversorgung mit Mensa-Futterstellen dem akademischen Nachwuchs Blasenbeschwerden beschert?

Die Zwangslagen an der Lernfabrik, die gemäß Spiegel-Uni -Wettbewerb den 69. Platz unter den 69 westdeutscher Hochschulen einnimmt, wurde den schläfrigen Touristen, den Klassenfahrtpulks und den morgendlichen Behördenaufsuchern jedoch sehr deutlich, sofern sie den Ansprachen lauschten:

-in Bälde würden viele ältere Profs über 55 ausscheiden und (zumindest vorerst) nicht ersetzt, dauerten doch die Berufungsrituale meist mehr als zwei Jahre

-die StudentInnenzahlen stiegen schon deshalb rapide, weil kaum eine/r die Regelstudienzeit schaf

fen könne

-1,4 Millionen bewilligte Sofortmittel würden nicht herausgerückt

-der Fachbereich Sozialwesen solle komplett vom Unigelände zum Neustadtwall umziehen, wo es keine Mensa gibt und Raumnot vorprogrammiert erscheine.

Neu am aktuellen Protest der Hochschüler ist der Schulterschluß von Professoren und StudentInnen. Rektor Ronald Mönch kritisierte im allseitigen Einvernehmen die Senats-Politik. „Wir Professoren und wir Studenten halten jetzt zusammen. Wir demonstrieren nicht gegen Scherf, wir geben ihm nämlich noch zwei Monate Zeit, die Kiste zu füllen.“ Mit 40 Neuen Professuren, 40 mittleren Angestellten, einer Regelung zur Abkürzung von Berufungsverfahren, der Freigabe der Soforthilfe und 25 Millionen zusätzlich. Ein abgemagerter Student der Sozialpädagogik nannte die Standortlinie beim Namen:

„Nichts für die Lehre, aber alles in die Forschung. Bremer Innovations - und Techno-Zentren, Oberflächenforschung und Falltürme - dafür gibt es was. Wir Sozialpädagogen sehen unsere reduzierte Zukunft. Spritzen an Fixer zu verteilen.“ Man klatschte.

Doch als er von den Kosten in der Dritten Welt anfing, die der Technologie-Ausbau verursache, fingen die Technik-Studis an zu scharren. „Darum geht es doch gar nicht.“

Professor Venz aus dem Fachbereich Elektrotechnik fand es erstaunlich, was der Sommer-Studistreik erbracht habe: Bis vor kurzem habe sich der Rektor Mönch noch geweigert, ihm, dem Kritiker, die Hand zu geben. Spräche sich das herum, stünden im August noch mehr Professoren gemeinsam mit dem Lernvolk vor der Bürgerschaft. „Wir werden sicher den Scherf auch noch kippen. Beim nächsten Mal steht der hier mit den Millionen.“

gürt