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■ Nutzungsvertrag für Ostberliner Jugendwohngemeinschaften unter Dach und Fach / 1,3 Millionen fließen aus dem Nagel-Topf / Kein „Jugendghetto“, sondern Selbsthilfeprojekt zusammen mit den anderen Bewohnern / Bereits für Oktober ist das Pilotprojekt geplant

Friedrichshain. Erstmals haben bislang vom Staat betreute Ostberliner Jugendliche eine Alternative zur freudlosen Heimerziehung: Mit dem Ziel, Wohngemeinschaften für Jugendliche zu schaffen, gelang es dem Ostberliner Verein „Neues Wohnen im Kiez“ als erstes Selbsthilfeprojekt, einen Nutzungsvertrag über 30 Jahre mit der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) abzuschließen.

Die Mitglieder des im April gegründeten Vereins sind fast ausschließlich ausgebildete HeimerzieherInnen. Nach ihren Vorstellungen sollen die Wohngemeinschaften durchschnittlich aus fünf Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 18 bestehen, betreut von je zwei Beratern. Im Gegensatz zur Heimerziehung, bei der meist nur ein brüchiges Vertrauensverhältnis zu den ErzieherInnen besteht, sollen die Jugend-WGs speziell auf die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen ausgerichtet sein. Auf keinen Fall jedoch will der Verein in der Helsingforserstr. 17 ein „Jugendghetto“ installieren - nur vier der 42 Wohnungen sollen für Jugend-WGs genutzt werden, der Rest steht im Rahmen der anstehenden Sanierung „ganz normalen Mietern“ zur Verfügung.

Das renovierungsbedürftige Haus wurde bereits vor einem Jahr fast vollständig entmietet. Jetzt sind die meisten Fensterscheiben blind oder zersplittert, das Treppengeländer morsch, und verwitterte Wände schreien nach frischer Farbe. Auf die künftigen BewohnerInnen wartet viel Arbeit - denn auch die gehört zu dem Projekt dazu: Ziel ist es, pädagogische Betreuung mit Qualifizierungsmaßnahmen wie handwerklichen Tätigkeiten im Haus zu verknüpfen. Deshalb will sich der Verein auch selbst an den Sanierungsarbeiten beteiligen.

Konzeptionell unterstützt wird „Neues Wohnen im Kiez“ vom Verein „Jugendwohnen im Kiez“ und dem Sanierungsträger „STATTBAU“, beide aus West-Berlin. Westberlins Bausenator Nagel sagte dem Verein aus dem 25-Millionen-Topf zur Sanierung Ostberliner Häuser bereits 1,3 Millionen zu.

Insgesamt werden die Baumaßnahmen 3,9 Millionen Mark verschlingen. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Jugendstadtrat Hempel, der den Verein als „Impulsgeber“ für weitere derartige Projekte sieht, erwartet eine Entscheidung über Magistratszuwendungen erst Ende der Woche. Entsprechend wurde der Modernisierungsvertrag vom Magistrat und der Senatsbauverwaltung bislang noch nicht unterzeichnet. Für die zu betreuenden Jugendlichen ist durch die ihnen zustehende Jugendhilfe in jedem Fall gesorgt. Um ihnen schnellstens Wohnmöglichkeiten anzubieten, will „Neues Wohnen“ von vornherein zweigleisig fahren: Drei Wohnungen für jeweils fünf Jugendliche, das hat der Friedrichshainer Stadtbezirksbürgermeister bereits zugesagt, sollen unabhängig von der Helsingforserstraße ab 1. Oktober dem Verein für ein Pilotprojekt zur Verfügung stehen. Vereinsmitglied Siegfried Geipel hofft hierfür auf eine Anschubfinanzierung von seiten der Jugendverwaltung in Höhe von 150.000 DM. Auch die Sozialverwaltung will 500.000 DM beisteuern - wenn der von ihr beantragte 850.000-DM-Topf für Selbsthilfeprojekte genehmigt wird.

maz