Milder Tarif für einen „Händler des Todes“

Libysche Giftgas-Affäre: Zwar Höchststrafe für Verletzung der Exportregeln, aber mildes Urteil in Sachen Steuerhinterziehung für Rabta-Regisseur Jürgen Hippenstiel-Imhausen / Fragwürdige Arrangements zwischen den Prozeßparteien / Weiter Ermittlungen gegen SIG  ■  Aus Mannheim Thomas Scheuer

Der Angeklagte nahm das Urteil gefaßt und mit der gleichen abschätzigen Miene hin, mit der er dem ganzen Prozeß gefolgt war: Fünf Jahre Freiheitsentzug für die illegale Lieferung einer kompletten Fabrik zur Herstellung der abscheulichsten Massenvernichtungswaffen - ein günstiger Tarif. Nur während seines mühsam vom Blatt abgelesenen Schlußwortes am Dienstag, da hatte der abgebrühte Manager Jürgen Hippenstiel -Imhausen mehrmals schlucken müssen, war sichtlich den Tränen nahe. „Glauben Sie mir,“ bat er das Gericht, „daß ich zutiefst bereue, wofür ich seit dem 10. März 1989 in der Haft zu büßen habe.“ Einen „Händler des Todes“ hatte der engagierte Staatsanwalt Hans-Heiko Klein den Lahrer Unternehmer in Anlehnung an einen Buchtitel kurz zuvor in einem plastischen Schlußplädoyer genannt. Fünf Jahre Gefängnis für einen „Händler des Todes“ der Oberklasse? Ein mildes Urteil, weshalb auch der Gesetzgeber mit am Pranger steht: Denn die Verletzung der Exportbestimmungen ahndete das Gericht schließlich mit der im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vorgesehenen Höchststrafe von drei Jahren. Mehr war aus bundesdeutschen Paragraphen gegen den hochkarätigen Techno-Söldner nicht herauszuholen.

Draufgesattelt hat das Gericht zwar noch wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung, die bei illegalen Exporten ja in der Natur der Sache liegt. Richter Henninger erklärte es aber für unzulässig, den vom Gesetzgeber vorgegebenen Strafrahmen des AWG auf dem Umweg über die mitverhandelte Steuerhinterziehung aufzustocken. Immerhin wurde Hippenstiel-Imhausen der „fortgesetzten Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall“ für schuldig befunden. Daß das Gericht den Strafrahmen für diesen zweiten Straftatbestand, immerhin sechs Monate bis zehn Jahre, trotzdem äußerst sparsam strapazierte und sogar eineinhalb Jahre unter dem Ansatz der Anklage blieb, hat gleichwohl andere Gründe.

Von einem „Deal“ in den Kulissen wurde bereits im Vorfeld des Prozesses viel gemunkelt. Hinweise auf fragwürdige Arrangements zwischen den Prozeß-Parteien lieferte das Verfahren genügend: Als Gegenleistung für die von ihm gewünschte Zusammenlegung der ursprünglich getrennten Strafverfahren wegen Außenwirtschaftsgesetz und Steuersache legte Hippenstiel-Imhausen am dritten Prozeßtag ein Teilgeständnis ab, welches das Verfahren zumindest beschleunigte. Von einem „verfahrensökonomischen“ Wert sprach Richter in seiner Urteilsbegründung. De facto räumte der angeklagte Manager wenig mehr ein, als ihm ohnehin hätte nachgewiesen werden können. Das häßliche Wort Giftgas kam nicht über seine Lippen.

Daß es sich bei der Chemie-Fabrik in Rabta nicht um eine Mehrzweckanlage, sondern um eine Drei-Produkte-Anlage handelt, in der außer den drei chemischen Kampfstoffen Lost, Soman und Sarin nichts herzustellen ist, mußten umfangreiche technische Gutachten sowie eine Computer-Studie des Bundesnachrichtendienstes nachweisen. Das gesamte Finanzvolumen seines Rabta-Deals bezifferte Hippenstiel -Imhausen mit rund 255 Millionen Mark - weit mehr als bis vor kurzem angenommen.

Doch der Vertrag, den der Chemie-Manager mit dem in London ansässigen Gadaffi-Berater Ishan Barbouti und zwei libyschen Offiziellen im September 1984 in Wien geschlossen hatte, war kurz vor Prozeßbeginn ohnehin auf den Schreibtisch der Ermittler geflattert. Unter Umständen, die wiederum den Verdacht eines Kuhhandels nähren: Ishan Barbouti höchstpersönlich hatte sich nämlich nach Tripolis bemüht, das heiße Dokument dort scheinbar ohne große Probleme aus den Regierungsakten gezupft und der Staatsanwaltschaft überlassen. Für diese Gefälligkeit erwartet sein Stuttgarter Anwalt nun, daß der Haftbefehl gegen Barbouti bald aufgehoben wird. Offiziell wird nämlich immer noch gegen ihn als Mittäter ermittelt.

In Sachen Steuerhinterziehung nahm das Gericht, das aus gewissen Vorgesprächen mit den Prozeß-Parteien keinen Hehl machte, letztlich Hippenstiel-Imhausens Geständnis für bare Münze. Außer den zugegebenen Gewinnen seien, so die Urteilsbegründung, „größere Zuflüsse nicht nachweisbar“. Das es sie gegeben haben muß, weiß das Gericht. Sie „auszuermitteln“, darauf verzichtete es freilich - mit Zustimmung der Anklage. Mit dem Urteil gegen den Hauptakteur des giftigen Deals ist das letzte Wort in der Causa Rabta noch nicht gesprochen: Gegen rund ein Dutzend Mitarbeiter der Lahrer Imhausen-Chemie wird ebenso weiter ermittelt wie gegen den Geschäftsführer und zwei Manager der seinerzeit bundeseigenen Firma Salzgitter Industriebau.