Freiheit der Investition für das Kapital

■ Volle Niederlassungsfreiheit von der Volkskammer verabschiedet / Gesetzesmarathon macht den Weg zur Währungsunion frei Wirtschaftsleute sollen investieren / Von den Renten bis zum Schornsteinfeger - alles angleichen / Müllabfuhr belagert erneut den Palast

Berlin (afp/ap/taz) - Du darfst! Insofern Investitionsmittel vorhanden sind. Die volle Niederlassungsfreiheit auch für Personen oder Gesellschaften ohne Sitz in der DDR hat die Volkskammer am Donnerstag in Berlin beschlossen. Der Gesetzesmarathon macht den Weg zur Währungsunion frei, letzte Hürden werden übersprungen. Ministerpräsident de Maiziere und Bundeskanzler Kohl appellierten gestern in Bonn nicht umsonst an die Wirtschaftsleute der BRD, die DDR nicht nur als Absatzmarkt zu betrachten, sondern aktiv Investitionspolitik zu betreiben. Das Parlament der DDR legte die formale Grundlage: Bewerber aus der Bundesrepublik oder dem Ausland können ab Sonntag in der DDR ohne Beschränkungen Unternehmen gründen, übernehmen, sich an Unternehmen beteiligen, Zweigstellen einrichten oder freie Berufe ausüben. Sie werden dabei DDR-Unternehmern gleichgestellt. Investitionen ab zehn Millionen D-Mark müssen beim Berliner Wirtschaftsministerium angezeigt werden. Für Banken gelten besondere Niederlassungsvorschriften.

Der Palast der Republik wurde auch am Donnerstag von mehreren hundert Müllautos blockiert. Etwa 3.000 Müllwerker wollten mit der Aktion innerhalb der Bannmeile auf ihren Streik aufmerksam machen, der in den vierten Tag ging.

In der Zwischenzeit befaßte sich das Parlament mit einer langen Reihe von Gesetzen, deren Verabschiedung vor der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am Sonntag erfolgen muß. So soll die gesamte Stromversorgung der DDR nach dem Willen der Regierung schon im Juli an die westdeutschen Energiekonzerne Bayernwerk, PreussenElektra und RWE verkauft werden. Die Verkaufspläne wurden sowohl von der SPD als auch von der PDS und den Grünen heftig kritisiert. CDU-Minister Steinberg verteidigte die von ihm eingebrachte Vorlage.

Neben dem geplanten Verkauf der Energiewirtschaft standen Beschlüsse zur Außenwirtschaft, zur Nettorentenangleichung an das Bundesniveau, zur Zivilrechtsänderung und zur Sozialversicherung an, die in weiten Bereichen eine Angleichung oder Annäherung an Bundesrecht bedeuten.

Zur letzten Ausgestaltung des ersten Staatsvertrages mit der Bundesrepublik hob das Parlament eine Reihe von Gesetzen auf, die zu Beginn des Jahres von der Regierung Modrow verabschiedet worden waren. So fielen das vor allem in der Bundesrepublik stark kritisierte Gewerkschaftsgesetz sowie eine Reihe von Wirtschaftsregelungen. Verabschiedet wurden vom Parlament auch ein Sozialversicherungs- und ein Zivilrechtsänderungsgesetz.

Neben einer Beratung zahlreicher Vorlagen in erster Lesung, so der Einführung von Handwerks- und Ärztekammergesetzen der Bundesrepublik, war am Nachmittag noch eine aktuelle Stunde zur Außenpolitik anberaumt worden.

abc