Tabuthema Auto?

■ Die IG Metall geht ein grundsätzliches Problem an

Berlin (taz) - Des deutschen Arbeiters liebstes Spielzeug, das Auto, ist bei der Gewerkschaft der Autobauer, der IG Metall (IGM) auf den Prüfstand gekommen. Das Ergebnis: „Aus umweltpolitischer Sorge und beschäftigungspolitischer Vorsorge“ ist eine Neuorientierung der Verkehrspolitik und der Automobilentwicklung notwendig. Zu diesem Schluß kommt ein Positionspapier der Gewerkschaft, das gestern vorgestellt wurde. Erstmals hat die IG Metall sich damit dem brisantesten Branchenproblem ihres Organisationsbereichs zugewandt.

Die IG Metall fordert in ihrem Positionspapier einerseits das umweltfreundliche Auto, andererseits eine grundlegende Umgestaltung des gesamten Verkehrssystems und der Verkehrspolitik. Durch staatliche Vorgaben für Verbrauchssenkungen, Steuererhöhungen, Tempolimits und den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs sollte in den nächsten zehn Jahren ein „humanes, umweltverträgliches und effizientes Verkehrssystem“ geschaffen werden. Die einfache Fortschreibung der bisherigen Unternehmensstrategien und Verkehrspolitik, so der IG Metall-Chef Franz Steinkühler, führt in eine Sackgasse. Schon jetzt habe die Bundesrepublik die höchste Fahrzeugdichte der Welt.

Die Fahrzeugindustrie ist mit rund einer Million Beschäftigten eine der Schlüsselbranchen der Bundesrepublik. Wenn keine Vorsorge für den notwendigen Strukturwandel getroffen werde, drohe sich die absehbare „Erkältung“ der Autobranche „zu einer Lungenentzündung der Gesamtindustrie“ auszuwachsen. Das umweltfreundliche Auto soll nach den Vorstellungen der IG Metall ohne Gift- und Schadstoffe hergestellt werden. Der Rohstoffverbrauch soll durch möglichst vollständiges Recycling der Altautos gesenkt werden. Die weitere Verpestung der Luft soll durch drastische Senkung der Abgaswerte und durch Senkung des Verbrauchs eingedämmt werden. Schließlich schlägt die IGM vor, intensiver als bisher nach alternativen Energieträgern zu forschen. Wasserstoff, Elektromotoren und Hybrid -Antriebe, bei denen Elektromotoren und konventionelle Antriebe kombiniert werden, werden genannt.

Auch das Tempolimit ist nach einigen verwirrenden Äußerungen führender IGM-Funktionäre inzwischen kein Tabu mehr. Allerdings wird die Forderung der Umweltverbände nach flächendeckendem Tempo 100 nicht übernommen. Die Gewerkschaft spricht sich für differenzierte Geschwindigkeitsbegrenzungen aus: 30/50 in der Stadt, 80/100 auf Landstraßen, 120/150 auf Autobahnen. Für Lastwagen fordert die IGM eine eingebautes Tempodrosselung auf 80 Stundenkilometer, um den Zeitdruck auf die Fahrer zu mindern.

An die Bundesregierung richtet die Gewerkschaft die Forderung, mehr Mittel für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs locker zu machen. Die Bundesbahn soll durch staatliche Finanzierung des Streckennetzes entlastet, der Straßenverkehr durch Steuererhöhungen stärker belastet werden. Der Güterfernverkehr gehört nach Meinung der IGM auf die Schiene. Auch die weitere Erhöhung der Mineralölsteuer ist für die IGM kein Tabu mehr. Ziel sei nicht die Abschaffung des Autos, sondern ein integriertes Verkehrssystem, das vor allem die Städte entlaste und das Umsteigen begünstige. Mit dieser Zusicherung hat sich die Gewerkschaft auch der Zustimmung der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden aus den großen Autokonzernen gesichert, die bislang den gewerkschaftsinternen Diskussionen um eine ökologische Verkehrspolitik ablehnend bis verständnislos gegenübergestanden hatten.

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