WK: „Bedenken gegen Anzeigenauftrag“

■ Nachdem sein Leserbrief zum Marokko-Boykott nicht erschienen war, wollte Bremer Arzt ihn als Anzeige aufgeben / „Zensur“

Dr. med. Erich Ricklefs ist niedergelassener Hausarzt in Bremen-Mitte. Aber nicht nur. Er ist gleichzeitig Umweltschützer der ersten Stunde, Lehrbeauftragter am Fachbereich Architektur für „Wohnmedizin“ - und Internationalist, einer von der hartnäckigen Sorte, die einen langen Atem hat.

Von seinen vielseitigen Aktivitäten zeugt sein Arztzimmer in der

Ellhornstraße. Neben Büchern über Herz-Kreislauf-Krankheiten stehen solche über ökologisches Bauen. Und auf fast jedem freien Plätzchen tummeln sich - wenn man vom Blutdruck -Computer absieht - Gegenstände des Kunsthandwerks aus aller Welt: Ein kleiner Holzbär aus Polen, Bilderrahmen mit filigraner Ornamentik aus dem Iran, eine graue Mütze aus Georgien, Ter

rakotta-Figuren aus Kenia, einehölzerne Wasserschale aus der sahrauischen Wüste. „Davon ist nichts gekauft, das sind alles Geschenke“, erklärt Dr. Ricklefs und beginnt, zu jedem Präsent die zugehörige Geschichte zu erzählen. Fast jede Geschichte hat damit zu tun, daß Ricklefs in seinem über sechzigjährigen Leben in diese Länder medizinische Hilfsgüter entsandt hat: Medikamente,

Laborgeräte, Krankenhausbetten - was angefordert oder gebraucht wurde, er kümmerte sich darum.

Das Land, für das er sich am meisten und schon über zehn Jahre engagiert, heißt Westsahara und ist seit 1975 von Marokko besetzt. Dieses Engagement für die sahrauischen Flüchtlinge hat ihn jetzt in einen Konflikt mit der Rechtsabteilung des „Weser-Kuriers“ gebracht, an dessen Ende Ricklefs sagt: „Das ist Zensur“.

Angefangen hatte der Konflikt damit, daß Erich Ricklefs einen Leserbrief an den „Weser-Kurier“ geschrieben hatte. Darin erhob er die Forderung, Marokko wirtschaftlich zu boykottieren. Angeregt zu dem Brief hatten ihn Presseberichte über die Attacken der Bremer Handelskammer, die versucht hatte, Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer mit massivem Geschütz von einer Reise in die sahrauischen Flüchtlingslager abzuhalten. Kammer-Chef Berghöfer hatte erklärt, der Senator würde, wenn er tatsächlich losführe, mit seiner Reise über hundert Arbeitsplätze im Marokko -Frucht-Import aufs Spiel setzen. Auch hatte die Handelskammer Druck auf den Senator ausgeübt, indem sie begonnen hatte, ihm die Zusammenarbeit aufzukündigen und sich vom „Bremer Business Bureau“ zurückzuziehen.

Aber Ricklefs Leserbrief wurde nicht abgedruckt. Eine Entscheidung, die nichts mit hoher Politik zu tun hatte, sondern damit, daß die zuständige Redak

teurin Ricklefs eineinhalb-Sei ten-Brief „viel zu lang“ gefunden hatte.

Doch Erich Ricklefs ließ nicht locker. Er ging zur „Anzeigenberatung“, um seinen Text als bezahlte Anzeige ins Blatt zu heben. Da ihn der Text in voller Länge 1.000 Mark gekostet hätte, kürzte er ihn um die Hälfte und überließ ihn der Anzeigenabteilung (Der gekürzte Text ist untenstehend dokumentiert). Die Anzeigenabteilung des „Weser-Kurier“ jedoch schaltete den Hausjuristen ein. Und der meldete bei Erich Ricklefs „Bedenken“ an und lehnte die Veröffentlichung der Anzeige ab - es sei denn: Ricklefs verzichte auf bestimmte Formulierungen. Streichen sollte der Arzt erstens die Worte „mit Napalm“. Wobei die geächteten Napalmbomben gegen die sahrauische Zivilbevölkerung sogar UNO-amtlich sind. Zweitens sollte Ricklefs die unverhohlene Druckausübung der Handelskammer nicht als „erpressen“ bezeichnen. Weiter heißt es in dem Schreiben der Rechtsabteilung: „Außerdem schlagen wir Ihnen die Streichung des vorletzten Satzes vor („König Hassan hat schon so oft sein Wort gebrochen“). Der Brief endet mit dem freundlichen Satz: „Bitte reichen Sie uns, falls Sie noch Interesse daran haben, einen neuen Anzeigentext herein.“

Auf taz-Nachfrage erklärte der „Weser-Kurier„-Jurist Dr. Woywod: „Wir sind Ihnen keine Rechenschaft schuldig.“

Barbara Debus