: Zürich: Funkstille für den Chefsender
■ Der European Business Channel (EBC) ist pleite / Ein eigenes Profil hat das Wirtschaftsfernsehen nie gefundene
Eines des vielen Lästermäuler beim European Business Channel, ein Moderator, nannte seinen Sender zuweilen „European Bossiness Channel“. Das tat er natürlich nicht vor der laufenden Kamera. Denn er meinte damit nicht die obersten hunderttausend Entscheidungsträger in Europa, die EBC so gerne als dauerhafte Zuschauer gewonnen hätte - die hätten sich vermutlich sogar geschmeichelt gefühlt. „Bossiness“ war hingegen das Klima, in dem in Zürich gearbeitet wurde: Befehlsstrukturen wie im DDR-Fernsehen und eine gnadenlose Konkurrenz zwischen den zwei Dutzend britischen und deutschsprachigen JournalistInnen.
Jetzt ist EBC pleite. Eineinhalb Jahre lang war das englische Programm frühmorgens über Sky Channel, das deutschsprachige über RTL zu empfangen. Die Idee war klug: Ein tägliches aktuelles Wirtschaftsmagazin wird gleich in mehreren europäischen Sprachen produziert und von internationaler Werbung finanziert.
EBC war ein kommerzieller Sender; ursprünglich gehörte ein kleiner Kreis von Schweizer Unternehmen zu den Gründungsfinanziers. Doch an der Entwicklung des Produktes EBC waren die JournalistInnen kaum beteiligt. Sie wurden erst später, teils für exorbitante Gehälter, bei Fernsehstationen in Großbritannien, der BRD, der Schweiz und Österreich abgeworben, um ihren neuen „Job“ zu machen. Andere Privatsender haben innerhalb kurzer Zeit in der Belegschaft die benötigte „corporate identity“ geschaffen, doch bei den zusammengekauften hochqualifizierten EBC -Beschäftigten ist das nie gelungen.
Die Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit hatte denn auch verheerende Folgen. Eine längerfristige Themen- oder Schwerpunktplanung gab es kaum. Die Berichterstattung über Firmen hatte zuweilen die Qualität dreiminütiger Werbefilmchen. Und während 'Financial Times‘, 'Handelsblatt‘ und 'Wall Street Journal‘ bissig in wirtschaftspolitische Debatten eingriffen, war EBC so kreuzbrav, daß selbst Edzard Reuter Symptome von Langeweile zeigte, als er zur Daimler/MBB-Fusion interviewt wurde. Zu Recherche und Exklusivmeldungen hat es bei EBC trotz der hervorragenden Kontakte selten gereicht.
Dafür entwickelte sich der Kampf zweier journalistischer Linien. Zugespitzt: Die Engländer wollten die Sendung schnell, ironisch, flach, die Deutschen aber langsam, ernsthaft und tiefgründig. Sich gegenseitig für inkompetent haltend, drehte sich das Personenkarussel immer schneller.
Bei solchem Hin und Her ließen denn auch die Zuschauerzahlen zu wünschen übrig - 40.000 machte EBC für die BRD geltend. Und wer will dann schon werben? BP, Singapore Airlines und ein paar andere konnten sich freuen: Ihre Spots wurden gratis ausgestrahlt, damit der Schein gewahrt blieb. Böse Zungen behaupteten zuletzt, EBC habe bis zuletzt keine einzige bezahlte Sendesekunde gehabt.
Schließlich scheiterte auch die Flucht nach vorn. Zwar stieg der Bauunternehmer Matthys als Großaktionär ein. Aber das geplante Mittags- und Abendprogramm fiel aus, weil die Ariane-Rakete mit dem notwendigen Satelliten abstürzte, und die US-Mediengiganten Paramount und Time Warner mochte sich auch nicht beteiligen. Jetzt soll das Schweizer Aktienrecht Schuld haben, weil es die Beteiligung von Ausländern beschränkt. Der Gesamtverlust wird jedenfalls mit 40 Millionen Franken angegeben.
Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen