Müll-Entscheid

■ In Bayern bestimmt das Volk über die Müll-Lawine

Nun müßte es auch der letzte Politstratege nicht nur in München begriffen haben: Der in der Bundesrepublik drohende Müllinfarkt ist kein Hirngespinst irgendwelcher Hinterwäldler-Initiativen. Und er eignet sich nicht für kurz - und durchsichtige politische Ränkespiele. Beim Müll, den jeder, ob er will oder nicht, in Form offensichtlich blödsinniger Verpackungsberge in seine Bude schleppt, scheint der Wille zur Wende in der Bevölkerung mit ihrer ökologischen Einsicht schrittzuhalten. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie die Entwicklung beim Autoverkehr zeigt.

Etwa 1.000.000 Bayern, viel mehr als zur Durchsetzung des Volksentscheids notwendig, haben sich innerhalb von nur vierzehn Tagen in die Listen der Bürgerinitiative „Das bessere Müllkonzept“ eingetragen - gegen das ausdrückliche Votum der schwarz-roten Weiter-so-Koalition in München und trotz (oder auch wegen) zahlloser behördlicher Behinderungen. Eine vergleichbare Mobilisierung hat es in Bayern seit Wackersdorf und in der Bundesrepublik seit den Hoch-Zeiten der Friedensbewegung nicht gegeben. Das Spektrum der Unterstützer scheint so breit, wie es die Aktivisten früherer Bewegungen kaum zu hoffen wagten. Der Grund ist naheliegend: Die Müllberge sind tatsächlich überall und die Müllverbrennungsanlagen demnächst auch - wenn „das Volk“ die Politiker alleine weiterwurschteln läßt.

Für die SPD-Landtagsfraktion bedeutet dieses Zwischenergebnis gut drei Monate vor den Landtagswahlen eine schallende Ohrfeige. Ihr Versuch, unter Ausnutzung des Drucks aus der Bevölkerung - und gleichzeitig gegen sie die schwarze Dauerregierung für eine große Koalition weichzuklopfen, ist vorerst gescheitert. Die SPD-Strategen, die mit ihrem Umfaller direkt in die Arme der CSU auch die eigene Basis verstörten, können nicht mal auf die Macht des Vergessens vertrauen. Das Thema wird das Wahlvolk über den Wahltermin hinaus weiterbeschäftigen, mindestens bis zum Volksentscheid.

Der bayerische Aufschrei dürfte auch in Bonn und Ost-Berlin nicht gänzlich ungehört verhallen: In der Bundeshauptstadt mauschelt Umweltminister Töpfer gerade gemeinsam mit der Verpackungsindustrie an einem Hausmüllkonzept, das die Verpackungslawine nicht bremst und die industriellen Verbrennungsöfen weiter anheizt. Und in Ost-Berlin bekommt manch Verantwortlicher heiße Füße angesichts der bundesdeutschen Müllberge und der bevorstehenden Übernahme der entsprechenden Westregularien. Ein DDR-Bürger füllt nur eine Tonne, wenn beim Bruder im Westen schon drei überquellen. Noch.

Gerd Rosenkranz