Der rote Schal und das Fett

■ Die Berliner Sozialdemokratie zerstört die rot-grüne Stadtregierung

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Walter Momper stand für den Typus eines neuen Politikers. Während sich die Berliner AL besserwisserisch und kontaktgestört im Biotop am Schichauer Weg verfing - es ging damals noch um einen einzigen zusätzlichen Grenzübergang -, warb Momper auf den Straßen und Plätzen der Stadt um die „gesellschaftliche Mehrheit“ für seinen neuen Senat. Und das mit Erfolg. Die Auftritte des Mannes mit dem roten Schal, sein Handeln rund um den 9. November - einfach grandios: „Mompi“, der lebendige Beweis dafür, daß Charme und Schönheit weder an körperliches Ebenmaß noch an Locken gebunden sind.

Aber seit einigen Wochen wird Fett sichtbar, gestreßtes Politikerfett. Der Fernsehzuschauer kann leider nichts dafür, aber hinter Mompers Physiognomie wird die seiner Amtsvorgänger Schütz und Stobbe sichtbar, von Machterhalt, Sachzwang und Beton. Und eigentlich paßt er doch ganz gut mit Diepgen zusammen. Walter Momper hat verloren, was ihn auszeichnete: Ein sicheres Gefühl für die Stimmung in der Stadt.

In der Sache erscheint inzwischen jedes Argument vergeudet. So recht Momper noch während des Kita-Streiks hatte und es nicht zuließ, daß das Budgetrecht des Parlaments via Tarifvertrag ausgehebelt würde, so unrecht hat er jetzt am Potsdamer Platz. Daimler-Benz wird in Berlin auch ohne Milliardengeschenk investieren. Und in jedem Fall bewirken die knappen Bemerkungen eines Richard von Weizsäcker zur Hauptstadtfrage mehr neue Arbeitsplätze als der mafiose Deal mit Daimler.

Seitenlang haben wir in dieser Zeitung versucht, die politische Diskussion um die Berliner Mitte aus der Sackgasse zu manövrieren. Für die SPD ist das lediglich und so war es fast immer - intellektueller Schnickschnack. Die von der AL gestellte für Stadtplanung und Umwelt zuständige Senatorin Schreyer, die ihr Ressort zusammen mit dem Staatssekretär Groth kompetent und verantwortungsvoll verwaltet, ist für Momper zur Unperson geworden. Mit Junktims aller Art gedenkt er sie an die Wand zu spielen. Der SPD-Parteitag gab ihm am Wochenende dafür auch noch grünes Licht. Michaele Schreyer hat um ihrer Selbstachtung Willen keine andere Wahl mehr: Bewegt sich der Koalitionspartner SPD nicht, dann muß sie zurücktreten. Und damit muß die AL, wenn sie nicht endgültig zur Lachnummer verkommen will, aus der Koalition austreten. Die Schuld an dieser Entwicklung tragen eindeutig und alleine Walter Momper und die von ihm geführte SPD. Das sollten sich alle die merken, die diese Regierung gewählt haben oder später von ihr überzeugt wurden.

Götz Aly