Mazowiecki zeigt Versöhnungswillen

■ Schlagabtausch zwischen Fraktionen in polnischen Bürgerkomitees wegen der Haltung zur Regierung

Aus Warschau Klaus Bachmann

Mit einem Gesprächsangebot an Lech Walesa hat Premier Mazowiecki am Sonntag vormittag in seiner Rede vor den Delegierten der regionalen Bürgerkomitees in Warschau auf den Streit innerhalb des Solidarnosc-Lagers geantwortet. Er sei Gegenstand von Angriffen, nicht Beteiligter des Streits, versuchte Mazowiecki allen Anschein zu vermeiden, er wolle die Konflikte zwischen Walesa und der Regierung noch weiter anheizen. „Ich habe keine inneren Widerstände gegen ein Gespräch mit Walesa“, sagte er, schränkte jedoch sogleich ein, „aber warum soll ein Telefon nur in eine Richtung funktionieren?“ Er schlage für die kommende Woche ein Treffen mit Lech Walesa vor. Mazowiecki war erschienen, nachdem am Vortag ein Treffen Walesas mit den Bürgerkomitees stattgefunden hatte, welches verhindern sollte, daß sich eine weitere Versammlung der Bürgerkomitees am Sonntag zu einer Föderation vereinigt.

Die Föderation ist das Ziel jener Abgeordneter und Intellektueller, die versuchen, für die im nächsten Jahr (oder auch schon früher) anstehenden Neuwahlen eine politische Basis für die Regierung zu schaffen. Dies wollen indessen Walesas Anhänger vermeiden, sie fürchten, dabei könnte eine neue „Monopolpartei“ entstehen, die Polens neuen Pluralismus einschränken würde. Während des Samstagstreffens, bei dem Anhänger Walesas dominierten, kam es daher auch zu heftigen Debatten. Der christlich-nationale Abgeordnete Jan Lopuszanski warnte vor der Initiative des ehemaligen Chefs der Untergrundstruktur von Solidarnosc, Zigniew Bujak. „Wir brauchen Neuwahlen und ein völlig frei gewähltes Parlament, dann kann man diese Regierung auch kritisieren, ohne daß daraus gleich eine Staatskrise wird“, meinte Lopuszanski. Bujak, dessen Rede am Samstag mehrmals von Pfiffen und Buhrufen unterbrochen wurde, sprach sich hingegen dafür aus, die Bürgerkomitees sollten ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen.

Es scheint, als hätten sie das auch getan: Einige schlugen sich auf die Seite Walesas, indem sie nur am Samstag zu der von ihm dominierten Sitzung erschienen, andere erschienen nur am Sonntag und stellten sich so auf die Seite Mazowieckis. Viele erklärten sich aber auch für neutral und nahmen an keinem der Treffen oder an beiden teil, häufig aber nur als Beobachter. Nach Walesas Konzeption beschlossen die Delegierten am Samstag nur, ein Landessekretariat ohne weitergehende Befugnisse zu gründen, am Sonntag versuchte Bujak indessen, sein Konzept einer Förderation mit weitgehender Selbständigkeit der lokalen Komitees, aber auch weitergehenden Kompetenzen des Sekretariats durchzusetzen. Nach diesem Wochenende geht die Spaltung von Solidarnosc durch die Bürgerkomitees überall im Lande.