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CDU: „Nicht in Schönheit sterben“

■ Demonstrativ giftiger Ministerpräsident Wallmann reitet harte Attaken gegen den „Lafontaineismus“

Aus Kassel K.P. Klingelschmitt

Die Szene hatte Seltenheitswert: Die Mitglieder des Landesvorstandes der hessischen CDU mit Ministerpräsident Walter Wallmann an der Spitze entledigten sich in der Stadthalle in Kassel demonstrativ ihrer Jacketts, lockerten die Krawatten und blickten mit blitzenden Augen auf die Delegierten des 75. ordentlichen Parteitages. Einer Wahl habe schließlich der Kampf vorauszugehen, meinte der erneut zum Spitzenkandidaten der hessischen Union für die „ersten gesamtdeutschen Wahlen“ gekürte Stahlhelmer Alfred Dregger. Und in diesem Kampf sei „bürgerliche Betulichkeit oder gar Feigheit“ absolut fehl am Platze. Dregger: „Wir müssen zuschlagen können, natürlich nicht undifferenziert, sondern gezielt.“

Und gezielt treffen wollen Dregger und Wallmann in den nächsten Wochen und Monaten den SPD-Kanzlerkandidaten Lafontaine, der in Kassel als „Vater des Lafontaineismus“ firmierte, und dem von der Union vorgeworfen wurde, die Einheit Deutschlands „aus machtpolitischen Gründen“ sabotieren zu wollen. Wallmann: „Lafontaine will nicht den Erfolg der deutschen Einheit. Er will mit dem Mißerfolg zu Lasten unserer Landsleute politische Geschäfte machen.“

Für Dregger muß deshalb die Union ein „politischer Kampfverband“ sein. Daß auf dem Parteitag der hessischen Union die Deutschland- und Europapolitik im Mittelpunkt stand, und sich selbst Wallmann nur kurz bei den hessichen Verhältnissen aufhielt, hatte natürlich seinen Grund: Landespolitisch ist die hessische CDU in der Defensive. Eine dilettantisch agierende Landesregierung mit einem sich immer konturloser präsentierenden Ministerpräsidenten an der Spitze hat der SPD und den Grünen das Profilierungsfeld überlassen. Um nach Niedersachsen nicht auch in Hessen „in Schönheit zu sterben“ (Wallmann), soll der „erfolgreiche“ Kanzler dem erfolglosen Ministerpräsidenten Walter Wallmann im Frühjahr '91 das Amt retten.

Dregger ging gleich in die Vollen. Um eine Abwanderung der Vertriebenenklientel der CDU an den rechtsradikalen Rand des Parteienspektrums zu verhindern, machte der Rechtsaußen der Union den Bekenntnisschlesiern, ungeachtet der Entschließungen zur polnischen Westgrenze, erneut den Mund wässrig: „Verbesserungen für die Gebiete jenseits von Oder und Neiße, die heute im Herrschaftsbereich der Republik Polen sind, sind nur denkbar als Ergebnis von Verhandlungen zwischen beiden Nachbarn. Daraus folgt: Auch um dieser Gebiete willen muß als erstes die staatliche Einheit Deutschlands wiederhergestellt werden.“

Nach diesem Parteitag scheint festzustehen, daß Wallmann den Bundestagswahlkampf bis zur Hessenwahl '91 fortsetzen wird - gegen die „Saboteure“ der deutschen Einheit. Zwei Kinder überreichten Wallmann und Dregger dann auch je ein Trikot der „deutschen Nationalelf, die in Italien für unser Vaterland spielt“ (Generalsekretär Jung) mit der Nr.1 auf dem Rücken. Daß es dieses Trikot in realiter nicht gibt, weil traditionsgemäß der Torwart die Nr.1 auf einem Pullover trägt, haben die Parteitagsorganisatoren wohl übersehen.

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