Die Gurke des Tages: Taschendieb

Eigentlich ist diese aus dem Sportteil übernommene und jetzt auch für die vorderen Seiten der Zeitung eingeführte Spott -Kolumne für eher große Tiere aus Politik und Gesellschaft bestimmt. Aber als Depp des Tages fungiert heute ein ganz Kleiner - ein armer Wicht aus Osteuropa, aus Polen oder Rumänien. Der junge Mann hatte Samstag nacht vor der neu eröffneten Filiale der Deutschen Bank am Berliner Alexanderplatz versucht, die vermeintliche Gunst der Stunde zu nutzen und mit flinken Fingern in die Handtaschen und Jacken der geduldig, aber aufgeregt Ausharrenden gegriffen. Er wußte: Zehntausend DDR-Bürger stehen dichtgedrängt beieinander. Und: Alle haben Geld in der Tasche.

Was er vergaß: Es waren DDR-Mark. Und als Ausländer kann er mit diesem Geld nichts anfangen. Denn um fünf vor zwölf - zu diesem Zeitpunkt unterlief dem Unglückseligen ein Fehler war das DDR-Geld für ihn nicht mehr wert als das Papier, auf dem es gedruckt ist. Umtauschen darf er es nicht, ausgeben kann er es nicht mehr - nur wenige Minuten nach seinem mißlungenen Kunstgriff sollte die Regentschaft der WestMark beginnen.

Und die Strafe folgte auf dem Fuß. Gejagt von den Geprellten, stellte man diesen wohl dümmsten Taschendieb aller Zeiten ausgerechnet vor dem Eingangsportal der Bankfiliale. Und da warteten Dutzende von Fernsehteams und zahllose Fotografen. Laut zeternd zerrte und zog man an ihm, grell beleuchtet von den Strahlern der Kamerateams. Anzunehmen, daß dieser Mann so schnell kein Portemonnaie mehr klaut. Also: Laßt ihn laufen. Schlimmer, als in dieser Kolumne zu stehen, kann's für ihn kaum noch kommen.

Axel Kintzinger