Die D-Mark war die Königin der Nacht

■ 10.000 umlagerten die Deutsche Bank Kaum Schlangen am Tag / Glasbruch am Alex

Berlin (taz) - Der Andrang auf die Bankschalter in der DDR war am Sonntag deutlich niedriger als der auf die Wahlkabinen unter Honecker und Krenz. Die Schlangen vor den Umtauschlokalen zwischen Kap Arkona und Sonneberg verschwanden oftmals schon kurz nach der Öffnung der Zahlstellen; den Tag über blieb es allerorten ruhig. Fälschungen wie in alten Zeiten wurden gestern dementiert: Im Kreis Neustrelitz waren bei der Geldausgabe zunächst unechte Hunderter vermutet worden. Sie entpuppten sich jedoch als goldechte, harte Westmark-Scheine.

Mit einem besonderen Werbegag hatte sich um Mitternacht die Filiale der Deutschen Bank am Ostberliner Alexanderplatz eingeführt. Mit der Öffnung ihrer Türen um Punkt null Uhr begann die Währungsunion. Als sich herumsprach, daß in der Nacht nur dort die DM ausgezahlt wurde, drängelten sich Tausende vor dem Gebäude und sorgten für die von den Medien herbeigesehnte DM-Hysterie. Es gab mehrere Verletzte und zwei eingedrückte Scheiben. „Wenig sensibel“ nannte ein indignierter Ministerpräsident de Maiziere später die Aktion.

Für Dresden hatte die Stadt Hamburg ein Feuerwerk springen lassen; in zahlreichen Städten sorgten Knallkörper, Hupkonzerte und betrunkene junge Männer für Neujahrsstimmung. Auf vielen „Abschiedsparties“ mochte Stimmung nur kurzzeitig aufkommen - Melancholie und Unsicherheit über die Zukunft waren verbreitet. Den Tag nutzten viele, um sich die neuen Schaufensterauslagen anzuschauen.

Zahlreiche Umfragen unter den PassantInnen deuten darauf hin, daß es ab heute nicht zu dem vorausgesagten Kaufrausch kommen wird. Durchschnittlich wurden am Sonntag nur 260 DM pro Person abgehoben, haben Bankangestellte gleich ausgerechnet. Fachleute schätzen, daß das neue Warenangebot in den DDR-Geschäften zu rund siebzig Prozent aus der BRD stammt. Platz werde zwar auch für DDR-Ware freigehalten, aber vielfach kämen die Anlieferungen nicht rechtzeitig, klagte DDR-Handelsministerin Reider. Kanzler Kohl feierte den Tag als entscheidenden Schritt zur deutschen Einheit und sagte den Menschen in der DDR eine gewiß nicht einfache Zeit des Übergangs vorher.

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