Zeitung für erwerbslose Zeiten

■ Wie Arbeitslose eine Zeitung machen / Das Warten auf die Druckmaschine

Jürgen Gerke, seit zehn Jahren „ohne Beschäftigungsverhältnis“, kann sich inzwischen über Langeweile nicht mehr beklagen. Er organisiert für die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsloser Bürger/innen (AGAB) Freizeitangebote und ist seit Anfang des Jahres Redaktionsmitglied in der sechsköpfigen Stamm-Crew, die im Mai die Zeitung „Erwerbslose Zeiten“ aus der Taufe gehoben hat.

Neben der Öffentlichkeitsarbeit für den Verein haben sich die Laien-JournalistInnen die Bearbeitung sozialpolitischer Themen auf die Fahnen geschrieben. In der ersten Ausgabe erfährt die Leserin beispielsweise, daß das Bremer Sozialamt manchmal auf die Bedürftigkeitsprüfung bei der Gewährung von Sozialhilfe verzichtet. Und das seit 1.Juli geltende Statistik-Modell bei der Be

rechnung der Sozialhilfe wird kritisch beleuchtet.

Interessant und unterhaltend sind die Reportagen über das, was im Arbeitslosen-Zentrum der AGAB in der Grenzstraße 122 los ist. Joachim Scholz, in seinem früheren Leben Seefahrer und Kranführer, ist als Fotograf für die Illustration zuständig. Er hielt im Bild fest, wie die gemütlichen Räume der AGAB im Chaos ver

sanken, als das Wasserlei tungssystem saniert wurde und zeigt den „Chef“ des Bremer Arbeitslosen-Containers, Rolf Klenke, bei der Arbeit. Der plaudert dann, in einem Interview, über die Geschichte dieses Containers.

Wie ist das Verhältnis zwischen arbeitslosen Laien -Journalisten und arbeitslosen oder ABM-PädagogInnen? Derer sind zwei im Redaktions-Team: die ABM-Kraft Josefine Meurer und die jetzt „ehrenamtliche“ Beatrix Galinski. Josefine Meurer sagt begeistert: „Die Arbeitslosen haben sehr viele Ideen.“ Beatrix Galinski ergänzt: „Sie beraten und helfen sich auch untereinander.“ Jürgen Gerke dazu : „Pädagogische Betreuung mag für manche ja notwendig sein, aber wenn man's auf mich anwenden will... . Als ich hierherkam, war jemand für mich da, das versuche ich jetzt zurückzugeben.“

Im August soll die neue Zeitung erscheinen, hoffentlich diesmal gedruckt und nicht kopiert. Die Druck-Maschine steht zur Zeit funktionsuntüchtig im Keller. Das Layout könnte etwas mehr Phantasie vertragen.

Politik, das sind auch die Lebensgeschichten der Arbeitslosen. Höhen und Tiefen gibt es da genug. Deshalb in der nächsten Ausgabe der Schwerpunkt „Arbeitslosigkeit und Sucht“. bea