Flughafen: Senat bricht Verträge

■ Versprochene Lärmschutzmaßnahmen immer noch nicht fertig / Stuhrer Bürgermeister: „dreist“

Im eigenen Land gilt das Wort eines Bremer Senators nichts. Jedenfalls nicht, wenn es um den Bremer Flughafen geht. Das weiß inzwischen nicht nur der Senatsversprechen-leidgeprüfte Bauer Heinz Wähmann, dem der Senat 1980 unter der inzwischen als haltlos erwiesenen Zusage, es nie und nimmer in eine Betonpiste zu verwandeln, ein Stück Land an der Neuenlander Straße abschnackte. Das wissen seit gestern auch Bremens niedersächsische Nachbarn in Stuhr und die Anwohner der Schäbisch-Hall-Siedlung in Huchting.

In einem Vertrag mit der niedersächsischen Nachbargemeinde Stuhr machte der Senat ihnen im Februar letzten Jahres mehrere Versprechen, um die Startbahnverlängerung für MBB und gegen alle Anlieger-Bedenken durchzusetzen. Seit Sonntag ist klar: Leere Versprechen. In einem Vertrag mit dem offensichtlich ironisch gemeinten Titel

„Vertrag zur Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit der Beschlüsse des Bremer Senats“ versprach der Senat umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen rund um die neue Betonpiste. Laut Vertragstext verpflichtete sich die Flughafen Bremen GmbH, „entlang dem westlichen Rollweg einen sieben Meter hohen Lärmschutzwall bis zum 1.7.90 zu errichten.“ Zum gleichen Datum sollte außerdem der sogenannte „Run-up-Platz“, auf dem Sportflieger ihre Flugzeuge vor jedem Start zu Testzwecken hochjaulen lassen, in die Lärmschutz-Wälle integriert werden.“ Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadtgemeinde Stuhr seinerzeit, auf alle Rechtsmittel gegen die Flughafenerweiterung zu verzichten.

Am letzten Sonntag, pünktlich zum Stichtag 1.7., stellten die Fluglärm-Gegner der „Aktionsgemeinschaft Naherholungsge

biet Ochtumniederung“ (AKO) jetzt bei einer Ortsbegehung fest: Der Lärmschutzwall ist zwar im Bau, aber längst nicht fertiggestellt; rund um den Run-up-Platz sind bislang überhaupt keine Ansätze von Lärmschutzmaßnahmen erkennbar. Resumee von AKO-Sprecher Hako Klaje: „Der Motorenlärm dröhnt noch immer ungehindert in die Wohngebiete Stuhr-Kuhlen und Grolland.“ Besonders sauer ist Klaje darüber, „daß der Schutz der Bevölkerung trotz vertraglicher Abmachung bewußt mißachtet wurde, während im gleichen Zeitraum die neue Piste für MBB ohne weiteres fertiggestellt wurde.“

Ein Sprecher von Häfensenator Konrad Kunick räumte gestern ein, daß der „Vertrag bislang nicht bis zum letzten Buchstaben“ erfüllt sei. Aber erstens habe man ja mit den Baumaßnahmen bereits begonnen und zweitens könne man sich sowieso länger Zeit lassen: „MBB braucht

die neue Piste ja auch erst im November und nicht, wie ursprünglich geplant, im Juli.“

Das Gegen-Argument „Vertrag ist Vertrag“ will Kunick -Sprecher Uwe Will nicht ohne weiteres gelten lassen. Schließlich habe sich die Gemeinde Stuhr bei Vertragsschluß auch verpflichtet, im Gegenzug auf ihre Bürger mäßigend einzuwirken und sie von privaten Klagen gegen die Flughafenerweiterung möglichst abzuhalten. Will: „Eine ganze Reihe von Stuhrer Bürgern haben trotzdem geklagt. Insofern hat auch Stuhr unsere Erwartungen enttäuscht.“ Kommentar von Stuhrs stellvertretendem Bürgermeister Kryno Meinken: „Das ist jetzt der Gipfel der Dreistigkeit. Kein Bürgermeister der Welt kann seine Bürger davon abbringen, seine gesetzlichen Rechte in Anspruch zu nehmen. Auch nicht, wenn sie sich gegen die Erweiterung des Bremer Flughafens richten.“

K.S.