„Räumung nicht unbedingt machbar“

■ Die Geschäftsführer der Westberliner städtischen Gesellschaften übernehmen Ostberliner KWVs / Kein Geld für Neubau und Modernisierung / Schlechte Erfahrungen mit 25-Millionen-Programm

Ost-Berlin. Die „Berliner Linie“ gilt künftig für die besetzten Häuser Ost-Berlins, wie Bausenator Nagel (SPD) mit seiner ost-westlichen Führungsmannschaft gestern vor der Presse erklärte. Der Magistrat bereite „Einzelfallentscheidungen“ vor, so Oststadtrat Thurmann (SPD), sprich: Es wird Einzelmietverträge geben, aber nicht für jedes Haus. Das hänge vom Anteil der Westbesatzung ab, „50:50 ist jedenfalls eine ungute Mischung“, präzisierte Referent Fuderholz (SPD) auf Nachfrage. Schlechte Karten haben etwa die besetzten Häuser der Mainzer Straße. Ob Räumungen allerdings machbar seien angesichts von 27.000 leerstehenden Wohnungen, sei fraglich, sagte Thurmann: „Da sind die Leute nach vier Wochen wieder drin.“ Erbbaurechtsverträge könne es bei einzelnen überlebensfähigen Genossenschaften geben, meinte Klaus Nicklitz (SPD), frischgebackener Geschäftsführer der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) Prenzlauer Berg, ausgeliehen von der Westberliner Wohnungsbaugesellschaft WIR. Neben Nicklitz werden weitere 18 leitenden Mitarbeiter die Geschäftsführung der elf bezirklichen KWVs übernehmen. DDR-Vertreter in der KWV-Geschäftsleitung wird es erst wieder nach einer „gewissen Einarbeitungszeit“ geben.

Die wesentliche Frage bei den besetzten Häusern sei, so Thurmann, wem sie eigentlich gehörten. Nach dem Staatsvertrag können Westbesitzer ihre Ansprüche anmelden. Auch bei allen anderen Häusern wird es Probleme geben: Etwa 60 Prozent des KWV-Bestanden von 335.000 Wohnungen sei enteignet und werde vermutlich von ehemaligen Besitzern wieder zurückgefordert werden. Von weiteren 80.000 Wohnungen, die von der KWV nur zwangsverwaltet wurden, aber immer in Privateigentum geblieben waren, habe man sich „innerlich schon verabschiedet“, so Referent Jesse (parteilos). „Das Problem ist nicht Oma Krause, die ihr Häuschen wieder bekommt, sondern der professionelle Wohnungshai, der es ihr abkauft“, betonte Nagel. Die KWVs, die in elf bezirkliche gemeinnützige GmbHs aufgeteilt worden sind, sollen die von ihnen verwalteten Häuser bis Ende 1991 ins Eigentum übertragen bekommen, vorher sei dies rechtlich nicht möglich.

Ein weiteres großes Problem ist, so Thurmann, die „dramatische finanzielle Lage“ Ost-Berlins. Nach dem Staatsvertrag dürften die Kommunen keine Kredite aufnehmen. Und die KWVs dürfen dies erst, wenn sie ihre Häuser selbst besitzen. Nachdem aber 90 Prozent des Wohnungsbaus über Kredite abgewickelt werden, werde es in wenigen Wochen zwangsläufig einen Baustopp geben. Allein für die Stadterneuerung brauche man dieses Jahr 900 Millionen. Die dringend notwendige Sanierung der Zehntausenden von leeren Wohnungen, der Thurmann „höchste Priorität“ einräumte, sei nicht möglich, da das Geld fehlt. Darüber hinaus habe man den KWVs nur bis Ende 1991 zugesagt, für ihre Schulden aufzukommen. Man verhandele deshalb mit dem Finanzministerium. Auf keinen Fall sei es möglich, die Ostberliner Stadterneuerung über den Westberliner Haushalt mit zu finanzieren.

Die Ausleihe der Westgeschäftsführer, die im übrigen vom Westen weiter bezahlt werden, ist eine vorübergehende Maßnahme. An eine Übernahme der Wohnungen in den Bestand der Westgesellschaften sei nicht gedacht. „Da müßten wir sofort Konkurs anmelden“, meinte Nicklitz. Die 11.000 Mitarbeiter der KWVs werden nach und nach im Westen fortgebildet. „Nach den Erfahrungen, die wir mit dem 25-Millionen-Programm gemacht haben, muß man wohl Mitarbeiter bis hin in die mittlere Führungsebene hinein entlassen“, sagte Nagel. Der verrottete Zustand ganzer Straßenzüge komme schließlich nicht von ungefähr. So stünden beispielsweise 5.600 der 27.000 leeren Wohnungen nur aus verwaltungstechnischen Gründen leer oder weil ein paar Malerarbeiten fehlten. Bedenken westlicher Journalisten, daß die leitenden Mitarbeiter der Westgesellschaften sich bisher auch nicht immer bewährt hätten, teilte Nagel nicht.

Die KWVs sollen mittelfristig weiter verkleinert und dezentralisiert werden, ab wann, wisse man nicht. Neben der WIR, vormals Neue Heimat, die sich in Prenzlauer Berg niederläßt, wird die DeGeWo nach Berlin Mitte gehen, die GSW nach Friedrichshain, die BeWoGe nach Pankow, die Gehag nach Weißensee, die GeSoBau nach Marzahn und Hellersdorf, die GeWoBaG nach Hohenschönhausen und Köpenick und die Stadt&Land nach Lichtenberg und Treptow.

Eva Schweitzer