Kippt jetzt die Stromtrasse?

■ SPD-Senator Mitzscherling gegen Verkauf des Ostberliner Energiekombinates / Zweifel am Sinn der Stromtrasse wachsen

Berlin. „Herr Pieroth hat völlig versagt.“ Mit diesen Worten kommentierte gestern Staatssekretär Klaus Groth von der Westberliner Senatsumweltverwaltung die geplante Übernahme des Ostberliner Energiekombinates (EKB) an den Hannoveraner Atomstromgiganten PreussenElektra. Der für Energiepolitik zuständige Ostberliner CDU-Wirtschaftsstadtrat Pieroth habe gar nicht erst versucht, etwas gegen den Ausverkauf zu unternehmen. Ein Treffen zwischen Pieroth und dem Ostberliner Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD), bei dem sich der OB über den geplanten Deal informieren wollte, kam gestern nicht zustande. Heute wollen sich Magistrat und Senat in ihrer gemeinsamen Sitzung mit dem geplanten Einstieg der PreussenElektra befassen.

Kritik an dem Vorhaben kam gestern auch vom Westberliner Wirtschaftssenator Peter Mitzscherling (SPD). Diese Pläne seien „ziemlich abenteuerlich“, sagte Mitzscherlings Sprecher Wolfgang Heinze zur taz. Der Senator habe in einem Brief an den Bonner Wirtschaftsminister Haussmann das Verfahren der Übernahmeverhandlungen „scharf kritisiert“. Auch Mitzscherling, so der Sprecher, habe nur „aus der Zeitung“ von der geplanten Übernahme des EKB erfahren. Es sei „nicht hinnehmbar“, wenn das Staatsmonopol in der DDR -Energieversorgung durch ein „privates Monopol“ ersetzt werde. Heinze meinte weiter, es sei ein „Essential“, daß der Einfluß Berlins auf die Energiewirtschaft der Stadt gewahrt bleibe.

Auch die Westberliner Energiegesellschaft Bewag hatte es offensichtlich versäumt, den Senat über ihre Einstiegspläne zu informieren. Man habe Mitzscherling mitgeteilt, so Bewag -Sprecher Möller, daß die Bewag an den Gesprächen beteiligt sei. Wie berichtet, will die PreussenElektra „unter Beteiligung“ der Bewag die Aktienmehrheit am EKB übernehmen. So geht es aus einem zwischen DDR-Umweltminister Steinberg und drei westdeutschen Konzernen ausgehandelten Vertragsentwurf hervor, der der taz am Freitag zugespielt wurde. PreussenElektra und Bewag weigerten sich gestern unter Berufung auf die laufenden Verhandlungen, Einzelheiten bekanntzugeben.

Unterdessen mehren sich auch im Senat die Stimmen, die nach dem Sinn der von Bewag und PreussenElektra geplanten Stromtrasse durch Spandau fragen, wenn die Stromversorgung im gesamten Umland in die Hand der PreussenElektra kommt. Mitzscherlings Sprecher Heinze meinte gestern auf Anfrage: „Aus Sicht der Bewag ist die Stromtrasse nötig, weil anders die Stromversorgung von Ost-Berlin nicht möglich wäre.“ Allerdings müsse die Bewag angesichts der neuen Situation „Schularbeiten“ machen und die Rolle der Trasse klären, fügte der Sprecher hinzu.

hmt (Siehe auch Bericht Seite 2)