„Ilse, bitte melden!“

■ Die fertige Antwort nach „John 3:16“ löst sich in Luft auf

KLEINE BIBELSTUNDE

Rom (taz) - Vorstellungen haben die Leute. Zum Beispiel: daß da einer nach Italien fliegt, sich radebrechend zu den Stadien durchschlägt, Flanken und Ecken zählt und überhaupt ein bißchen Augen und Ohren offenhält. Anschließend werden dann flink die Tasten des Schreibgeräts gedrückt - und fertig ist der Lack.

Denkste!

So eine Fußball-Weltmeisterschaft ist für den Reporter mehr als eine Reihe von Fußballspielen. Kollege C. will unbedingt „eines dieser ausgefreakten, vollpsychedelischen Hemden“ der Kameruner mitgebracht, H. braucht einen ganz bestimmten Grappa („aber nur Riserva“), Redakteur M. ruft zum Abschied verzückt „vino, vino“ über die Schulter, und ein verzweifelter Fußballanalytiker aus Bochum fordert telefonisch Hilfestellung.

Schon bei den Spielen in Mexiko sei ihm das aufgefallen, und jetzt in Italien tauche es wieder auf; eine höchst merkwürdige Botschaft: „John 3:16“. Überall in den Stadien hingen Laken mit „John 3:16“, im Fernsehen gut zu erkennen, er finde keine Ruhe mehr, dies sei mehr als eine Bitte, dies sei ein - gute Güte - „knallharter Rechercheauftrag“.

Es fügte sich dann günstig, daß hier unten von Kollegen schon gewisse Vorarbeiten erledigt waren. Eine US -amerikanische Sekte nutzt - welch erstklassiger PR-Trick! das Fernsehen, geschätzte 20 Milliarden Zuschauer während der vier Wochen kostenlos zur Bibelstunde zu laden. Schlag nach bei Johannes, Kapitel 3, Vers 16: „Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben.“

Damit schien das Problem erledigt. Schien! Kaum im römischen Stadion angekommen, und was taucht auf? „John 16:6.“ Tags drauf in Bologna wird die Verwirrung gesteigert: „John 19:4.“ Jahrelang „John 3:16“, und kaum will man der Sache auf den Grund, knallt die Gemeinde durch! Selbst das wäre noch hinzunehmen, der Vatikan ist nicht weit, und mit „John 16:6“ und „John 19:4“ müßte der eine oder andere Geistliche einem auf die Sprünge helfen können. Handelt es sich um eine orthodoxe Abspaltung, eine Erweiterung des religiösen Blicks? Doch dann kommt der Tiefschlag aus Verona.

Es hat alles keinen Sinn mehr, guter Mann aus Bochum! In Verona hängt: „Ilse 17:4.“ Und jeder Irrtum ist ausgeschlossen! - „Ilse 17:4.“ - Was werden sie sagen beim Vatikan? „Weibliche Jüngerinnen, weibliche Prophetinnen, der Herr pflegte Männerfreundschaften?!“ So geht das nicht weiter. taz-Leserinnen und -Leser, aufgepaßt bei den nächsten Fernsehübertragungen! Und Ilse: Bitte melden! Ilse, bitte!

-thöm