Schmücker-Richter politisch gelenkt?

■ Neuer Skandal beim Endlos-Prozeß: Justizsenat soll Richter und Staatsanwältin beeinflußt haben / Waren die fünf Angeklagten schon neun Monate vor der Urteilsverkündung verurteilt?

Aus Berlin Dirk Wildt

Ein weiterer Skandal kommt im vierten „Schmücker„-Prozeß ans Tageslicht: Die Anwälte legten gestern der 18. Strafkammer in Berlin-Moabit Behördenpapiere vor, die belegen sollen, daß der Berliner Justizsenat massiv Einfluß auf den dritten „Schmücker„-Prozeß (1981 bis 1986) genommen hat.

Der Leiter der Abteilung I des Justizsenats vermerkte im November 1985 in einer Akte, daß der Präsident des Landgerichts am 14. November ein „ausführliches“ Gespräch mit „Schmücker„-Richter Sachs geführt habe. Bei dem Treffen habe der Präsident „seine und der Senatsverwaltung Sorge über die Dauer und den Ablauf des Verfahrens erläutert“. Der vorsitzende Richter habe daraufhin mitgeteilt, daß die Strafkammer „schon aus eigenem Interesse“ bemüht sei, „diesen Prozeß endlich zu Ende zu bringen“, und daß die Rechte der Prozeßbeteiligten „an diesem Ziel“ orientiert würden. Etwa seit dem Gespräch wurden kaum noch Beweisanträge zugelassen.

Die Vorsitzende Richterin der 18. Strafkammer vernahm darauf gleich gestern mittag den damaligen Richter Sachs. Er behauptet, das Gespräch sei nur von kurzer Dauer gewesen. Der Vizepräsident des Landgerichtes, Klausing, habe nur ein „persönliches Interesse“ daran gezeigt.

In den Skandal sollen nach Angaben der Verteidigung auch Wolfgang Müllenbrock, vor dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr Staatssekretär im Innensenat, und der heutige Generalbundesanwalt, Alexander von Stahl, verwickelt gewesen sein. Müllenbrock, ehemaliger Staatsanwalt und Sitzungsvertreter in den ersten beiden „Schmücker„-Verfahren habe sich mit von Stahl über den Verlauf des dritten Prozesses ausgetauscht. Beide hätten sich darauf verständigt, das Gespräch mit der Staatsanwältin Eckel zu suchen. Müllenbrock und von Stahl sollen befürchtet haben, daß nicht nur die unabsehbare Dauer des Verfahrens und die Art und Weise der öffentlichen Diskussion über seinen Ablauf immer mehr zu einem Politikum würden, es habe sie auch die Sorge um die Arbeitsfähigkeit des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz umgetrieben, behaupten die Anwälte.

In dem Mord-Prozeß wurde Ilse Schwipper schließlich zu „lebenslänglich“ verurteilt. Die anderen vier Angeklagten erhielten mehrjährige Gefängnisstrafen. Die Verteidiger glauben nun, daß das „Schmücker„-Urteil schon im Herbst, also ein dreiviertel Jahr vor der Verkündung im Juli 1986, geschrieben wurde. So fände auch der berühmte „Tipp-Ex„ -Skandal seine Erklärung. Im Herbst 1985 hatte das Gericht einen Beweisantrag abgelehnt und in der Begründung mit Tipp -Ex herumgepinselt. Als die Anwälte die weiße Korrekturschicht lösten, tauchten darunter Teile der Urteilsbegründung auf.