Der Senat verschenkt seine Stadtmitte

■ Großkonzern Daimler kriegt 62.000 Quadratmeter bestes Berlin zum Schleuderpreis: Senat beschloß Kaufvertrag / Schreyer tritt nicht zurück

Berlin. Die Vertragspartner müssen sich zwecks Unterschrift zwar noch beim Notar treffen und das Abgeordnetenhaus muß seinen Segen geben, doch seit gestern ist der Kaufvertrag zwischen dem Senat und der Daimler Benz AG beschlossene Sache. Gegen die Stimmen der drei AL-Senatorinnen und bei drei Enthaltungen von Ostberliner StadträtInnen haben Senat und Magistrat in gemeinsamer Sitzung den Verkauf von über 62.000 Quadratmeter Land am Potsdamer Platz beschlossen. AL -Umweltsenatorin Michaele Schreyer machte ihre Rücktrittsdrohung trotzdem nicht wahr. Eine Koalitionsaufkündigung könne nur von der Partei „insgesamt“, nicht von einzelnen Senatorinnen vollzogen werden, meinte Schreyer. Obwohl der Koalitionspartner SPD „keine Bereitschaft“ zu Kompromissen gezeigt habe, werde sie „weiterhin dafür kämpfen“, daß sich „politische Fehler“ wie dieser nicht wiederholen könnten.

Der Vertrag soll im Laufe der nächsten zwei Wochen unterzeichnet werden, der Termin steht noch nicht fest. Der Kaufpreis von 92,87 Millionen Mark wird dann innerhalb von zwei Wochen und damit bereits vor der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus fällig. Momper zeigte sich überzeugt, im Parlament eine Mehrheit zu finden. Während die AL-Fraktion eine Zustimmung ausschließt, hat die CDU-Opposition ihr Jawort bereits zugesagt.

Der Kleinkrieg um das Daimler-Projekt ist mit diesem Beschluß nicht beendet. Die Festlegung des Vertrages, daß eine Bruttogeschoßfläche von 265.000 Quadratmetern angestrebt wird, werde sie nicht in die Ausschreibung für den städtebaulichen Wettbewerb hinnehmen, kündigte Schreyer an. Sie wiederholte ihr prinzipielles Einverständnis mit dem Vorhaben, kritisierte aber die Vorgehensweise der SPD.

Der Regierende Bürgermeister Walter Momper, der „Wert darauf gelegt“ hatte, daß der Magistrat sich an dem Beschluß beteiligen konnte, verteidigte den Kaufvertrag erneut als „das Optimale dessen, was ausgehandelt werden konnte“. Die Ansiedlung einer Daimler-Dienstleistungszentrale sei ein „großer wirtschaftspolitischer Erfolg“, damit werde das erste Mal nach dem Krieg eine Konzernzentrale nach Berlin verlegt. Momper warnte vor dem Glauben, Unternehmen würden von selbst nach Berlin kommen. Um Ansiedlungen, um die Olympischen Spiele und die Hauptstadtfunktion werde Berlin „kämpfen müssen“. Momper war sich gleichzeitig sicher, daß das Daimler-Projekt „weitere Ansiedlungen“ nach sich ziehen werde. Es kollidiere auch nicht mit „grüner Identität“, meinte der SPD-Politiker. Auch das rot-grüne Bündnis in Frankfurt lasse Hochhäuser bauen. Zu dem Argument verschiedener Berliner Architektenverbände, der Kaufvertrag belaste den geplanten städtebaulichen Wettbewerb, sagte Momper, diese Kritik sei ihm „unerfindlich“. Es gebe „weit über die derzeitige Koalition hinaus“ einen Konsens, an dieser Stelle am Potsdamer Platz Dienstleistungen anzusiedeln.

Die Daimler Benz AG in Stuttgart begrüßte die Entscheidung des Senats. Der Vorstandsvorsitzende Edzard Reuter versicherte, sein Unternehmen sei sich der „Verpflichtung“ und der „besonderen Verantwortung“ bewußt. An diesem exponierten Platz komme nur ein städtebaulich und architektonisch wegweisendes Projekt in Frage. Walter Momper sandte gestern seinerseits Grußworte an den Neckar. Die Ansiedlung sei Reuters „ganz persönliches Verdienst“.

hmt