Sinkendes Schiff

■ Die Austritte von Diestel, Ebeling und Co künden vom Ende der DSU

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Zweifel gab es ja von Anfang an darüber, ob es sich bei der DSU jemals um ein ernstzunehmendes Phänomen im neuformierten politischen Spektrum der DDR gehandelt hat. Nach den jüngsten Abgängen sind Zweifel überflüssig. Ohnehin reduzierte sich das programmatische Profil der Partei seit ihrer bayerngesteuerten Gründung auf die schnelle Übergabe der DDR als Gegenleistung für die schnelle Mark. Die organisatorische Potenz beschränkte sich auf das, was die CSU in der Kürze der Zeit an Personal, Geld und Know-how zu importieren in der Lage war. Wahlergebnisse, die den vollmundig beanspruchten politischen Einfluß gerechtfertigt hätten, blieben von Anfang an aus. Der reihenweise Abgang der ehemaligen Führungsfiguren ist jetzt nur der spektakulär inszenierte Beweis für den desolaten Zustand einer Partei, deren Existenzberechtigung sich einzig aus dem Interesse der CSU herleitet, die Realisierung ihres deutschen Traumes nicht mit massivem Einflußverlust zu bezahlen.

Dabei gehören noch die fadenscheinigen Austrittsbegründungen von Diestel, Ebeling und Co zum oppurtunistischen Geist einer Partei, deren ohnehin spärliche Aussagen sich vorab am politischen Marktlückenkalkül orientierten. Daß die angeblich forcierte Rechtstendenz die DSU-Minister zum Austritt zwang, ist nur die Umschreibung dafür, daß die Rechtspartei in Zukunft keine Karrieretickets mehr zu vergeben hat, weil sich die Wählerwirksamkeit dumpfer Sprüche, als deutlich geringer erweist, als nach der Wende angenommen. Für Innenminister Diestel, der seine Rolle souveräner ausfüllt als erwartet, war es deshalb höchste Zeit, das sinkende Schiff zu verlassen. Im Interesse zukunftsträchtiger Karriereplanung wird er sich in Kürze „die dreckige Jacke der ehemaligen Blockpartei“ CDU überstreifen, vor der er noch im Wahlkampf warnte. Für Ex-Parteichef Ebeling hingegen, der in Diestels Windschatten die Partei verläßt, geht das Kalkül daneben. Der blassen Figur im Ministerrang bleibt nichts anderes, als sich wieder bei der Kirche zu bewerben, die er im Herbst vor den Aufrührern verrammelte.

Das wochenlange Gezerre nach dem 18. März um die Regierungsbeteiligung der DSU, an der um ein Haar das Zustandekommen der großen Koalition gescheitert wäre, erscheint heute als großer Popanz. Daß ausgerechnet die damals durchgesetzten Minister jetzt für eine DSU-freie Regierung sorgen, ist zweifellos eine besonders pikante Fußnote. Über die dürfen jetzt alle Beteiligten herzhaft lachen - außer der CSU. Was sie mit der Etablierung eines DDR-Ablegers verhindern wollte, scheint nach dessen Niedergang unabweisbar: die Rolle einer Regionalpartei im künftigen Gesamtdeutschland. Waigels konfliktscheue Strategie, die Konfrontation mit der CDU nur indirekt über die DSU-Schwester zu riskieren und damit faktisch dennoch die Ausdehnung der Bayernpartei zu betreiben, ist gescheitert. Die CDU erweist sich nach dem Sieg über die Sozialdemokraten am 18. März jetzt auch unionsintern als gesamtdeutscher Gewinner.

Matthias Geis