Die DSU schreibt ihre Geschichte um

■ Pressekonferenz der neuen Parteiführung / Die ausgetretenen Politiker waren plötzlich noch nie das Wahre / In der „Hitze des Wahlkampfs“ hatten sich Helfer „mit Vergangenheit“ angeboten

6BRDDRdietageszeitung MITTWOCH, 4.7.90

Aus Berlin Beate Seel

„Das reinigende Gewitter hat stattgefunden.“ Mit diesen Worten kommentierte Jürgen Schwarz, stellvertretender Parteivorsitzender der DSU, am Dienstag auf einer Pressekonferenz die Austritte führender Politiker aus seiner Partei. In der Tat: Wer sich mit der DSU befaßt, muß sich nach dem Weggang von Innenminister Peter-Michael Diestel, Entwicklungshilfeminister Hans-Wilhelm Ebeling, dem ehemaligen Parteichef Hubertus Nowack und zwei weiteren führenden Mitgliedern neue Namen merken.

Im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand weniger der Vorwurf der Aussteiger, es habe in der Partei einen Rechtsruck gegeben, als vielmehr das Bemühen, die kurze Geschichte der Partei neu zu schreiben. Da wurde minutiös aus den Reden der Abtrünnigen zitiert. Der neue Parteichef Hans-Joachim Walther nahm den abtrünnigen Nowack aufs Korn: dieser habe auf dem Gründungsparteitag im Februar Lafontaine fünfmal als antideutsch bezeichnet. Und Diestel habe während des Wahlkampfes gesagt, er würde sich nie die schmutzige Weste der CDU anziehen... Von der schmutzigen Weste bis zur schmutzigen Wäsche war es nur ein kleiner Schritt. Eine Äußerung von Schwarz über den Austritt Ebelings wurde mit offenem Gelächter quittiert: Der neue stellvertretende Parteivorsitzende wies darauf hin, daß Ebelings Rolle im Herbst vergangenen Jahres als Pastor der Thomaskirche in Leipzig immer noch sehr umstritten sei. Die anwesenden JournalistInnen bekamen so einiges bereits Bekanntes zu hören, woran sich in der DSU bislang allerdings niemand gestört hatte. Walther und sein stellvertreter wiesen erneut Vorwürfe des Rechtsradikalismus zurück. Gleichzeitig berichtete ein Fraktionsmitarbeiter, vor dem 2.Juni hätte es „in der Hitze des Wahlkampfs“ Kontakte zu Personen aus der BRD gegeben, bei denen sich im nachhinein herausstellte, daß die „eine Vergangenheit“ hätten. Die Gespräche seien inzwischen abgebrochen worden.

Generalssekretär Alexander Achminow schilderte einen Vorfall vom Vortag, als Nowack ihn mit zwei Vopos inkl. Maschinengewehren aus dem Leipziger Büro vertreiben wollte, das Diestel in besseren Zeiten für die DSU angemietet hatte. Bedrohlich sei die Situation nicht gewesen. Die bewaffneten Besucher seien unverrichteter Dinge wieder abgezogen.

Während der deutschlandpolitische Sprecher der bayrischen Schwesterpartei CSU die Ansicht vertrat, die DSU solle nach dem Parteiaustritt ihrer beiden Minister in der Regierung präsent bleiben, sieht man das in der DSU-Führungsriege wohl realistischer. Zwar mault man noch, man sei nicht in die DSU eingetreten, um zwei Herren einen Ministerposten zu verschaffen. Doch Regierungschef Lothar de Maiziere hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er keine Regierungsumbildung beabsichtige.

Die Absetzbewegung von der DSU scheint indes noch nicht beendet zu sein. Der DSU-Landesvorstand in Brandenburg distanzierte sich am Mittwoch von Kontakten zu den Reps, wie sie von Teilen des Landesvorstandes in Thüringen aufgenommen worden seien. CDU-Generalsekretär Martin Kirchner warb unterdessen indirekt um frühere Mitglieder des Koalitionspartners: In der Position der CDU als einer Partei der Mitte könnten sich auch ehemalige DSU-Mitglieder wiederfinden.