Aus für die elektronischen Medien der DDR

■ Ministerium legt Medienüberleitungsgesetz vor / Geplante Staatsferne nicht gewährleistet / Voraussetzungen für Privatfunk geschaffen / Medienkontrollrat wird entmachtet / DFF kurz vor der Auflösung

Aus Berlin Ute Thon

Nun ist es endlich raus. Auch in der Rundfunkneuordnung der DDR läuft alles auf einen bedingungslosen Anschluß an bundesdeutsche Verhältnisse heraus. Das Medienministerium der DDR will dem Kabinett in seiner heutigen Sitzung einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Überleitung des Hörfunks und Fernsehens der DDR in einem vereinten Deutschland vorbereiten soll. Geplant war ein solches Gesetzeswerk schon lange, doch krankte die Verwirklichung bislang am Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Gremien und Medienausschüssen, die mit der Ausarbeitung und Kontrolle einer zukünftigen DDR-Medienordnung betraut waren. Eine eigens dafür eingesetzte Mediengesetzgebungskommission, die schon seit Anfang des Jahres existiert, blieb wegen Kompetenzgerangels lange Zeit untätig. Schließlich wurde sie vom Medienminister Müller nur mit vergleichsweise unspektakulären Aufgaben betraut: Ihr obliegt die Regelungen zum Pressevertrieb, Kontrolle für Druck und Papierkapazitäten oder der Formulierung von Grundsätzen für die Veröffentlichung von Gegendarstellungen. Für den sensiblen Bereich der Neugestaltung des Rundfunksystems setzte Minister Müller einen eigenen Ausschuß ein, dem neben Staatssekretär Manfred Becker (SPD) vor allem Leihbeamten aus dem Westen angehören - unter anderen Gisela Bender aus der NRW-Staatskanzlei, Ernst W.Fuhr, ehemaliger Hausjustiziar des ZDF. Die Einsetzung dieses Ausschusses, der ohne Rücksprache mit Medienkontrollrat oder Mediengesetzgebungskommission quasi im geheimen operierte, rechtfertigt Müller mit der Kürze der Zeit. Denn nicht nur ARD und ZDF, sondern vor allem auch die bundesdeutschen privaten TV-Anbieter drängen schon lange auf eine definitive Entscheidung, wie und auf welchen Kanälen in der DDR in Zukunft gefunkt werden kann.

In dem Rundfunküberleitungsgesetz, dessen Entwurf der taz vorliegt, wird nun Klartext geredet. Der Ministerpräsident richtet in Kürze sechs Landesrundfunkdirektorate ein, die dort nach föderalem Prinzip Hörfunk- und Fernsehprogramme für das jeweilige Land veranstalten sollen. Der Deutsche Fersehfunk (DFF) wird in seiner jetzigen Form aufgelöst. Die Studios in Adlershof sollen den zukünftigen Landesrundfunkdirektoraten als Produktionsstätte dienen. Eventuellen Widerständen aus Adlershof, wo sich die DDF -Mitarbeiter seit langem mit einem eigenen Konzept zur Neustrukturierung des Rundfunks bemühen, wird mit einer besonderen Klausel vorgebeugt. Der Ministerrat, der über die Durchführung der Gesetzesbestimmungen wacht, kann widerspenstige Rundfunkveranstalter abmahnen. Von der vielbeschworenen Staatsferne des Rundfunks ist in dem Gesetzentwurf wenig zu spüren. Der Ministerpräsident benennt die Rundfunkdirektoren und legt vorerst auch deren Sitz fest: Rostock, Potsdam, Berlin, Halle, Leipzig und Weimar. Auch die Rundfunkbeiräte, die die Arbeit der Direktorate kontrollieren sollen, werden laut Gesetz vom Ministerpräsidenten benannt. Überraschendstes Detail des Gesetzentwurfs ist allerdings die Einrichtung einer „Geschäftsstelle für privaten Rundfunk“ beim Medienminister sowie die Berufung eines „Frequenzplanungsausschusses“. Auf diese Weise sollen offensichtlich schnellstmöglich Regelungen für die Einführung von Privatsendern auf DDR -Gebiet geschaffen werden, obwohl der vom Runden Tisch eingesetzte Medienkontrollrat vor übereilten Schritten in diese Richtung mehrfach eindringlich gewarnt hatte. Nach dem Willen der eifrigen Gesetzesplaner würde das kritische Kontrollgremium in Zukunft gänzlich überflüssig. Einige Mitglieder des Rates sind über das Vorgehen des Medienministers zwar empört, zu einer Protestresolution konnte man sich indes bislang nicht durchringen. Dabei verletzt das Gesetz eindeutig den Medienbeschluß der Volkskammer vom Februar. Dort heißt es nämlich, daß ein entsprechender Gesetzentwurf vor der Verabschiedung der Öffentlichkeit zur Diskussion unterbreitet werden müsse. Ein Hearing ist jedoch vom Medienministerium nicht mehr vorgesehen. Für Konrad Weiß, Filmemacher und Volkskammerabgeordneter für das Bündnis 90, bedeutet die Verabschiedung des Medienüberleitungsgesetzes das „Aus für die elektronischen Medien der DDR“.