„Wenn sie uns den Krieg aufzwingen, kämpfen wir“

■ Für Jusuf Buxhovi, Generalsekretär der „Demokratischen Liga“ des Kosovo, ist die serbische Politik zu einem Risiko für ganz Europa geworden. Noch richten die Albaner des Kosovo ihre Augen nicht auf das benachbarte Albanien

INTERVIEW

Jusuf Buxhovi, Schriftsteller und Journalist, ist Sekretär der „Demokratischen Liga“ des Kosovo, die nach eigenen Angaben seit Dezember letzen Jahres mehr als eine Million Mitglieder geworben hat. Damit ist die Demokratische Liga die größte Partei Jugoslawiens.

taz: Hier in Deutschland wird immer von einem Konflikt zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit ausgegangen, wenn die Situation im Kosovo beschrieben wird.

Jusuf Buxhovi: Es gibt keinen Konflikt zwischen Serben und Albanern, zwischen den Menschen, den Einwohnern. Auch nicht, als im Februar geschossen wurde. Im Kosovo gibt es einen Konflikt zwischen Albanern und serbischen Behörden, die von sich aus die autonomen Rechte Kosovos immer mehr einschränken. Die stalinistische serbische Regierung in Belgrad produziert den Konflikt.

Aber es gibt doch die serbischen nationalistischen Organisationen im Kosovo, und die serbische Presse berichtet von Übergriffen von Albanern auf Serben.

Ich halte daran fest: Es gibt normale zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Serben und Albanern in unserer Region. Die serbische Regierung aber gibt vor, in einen nationalen Konflikt einzugreifen. Das ist aber falsch.

Am Mittwoch trat ein Gesetz in Kraft, das sämtliche Autonomierechte der Albaner abschafft und das nun über die Volksabstimmung sanktioniert werden soll. Da werden doch Fakten geschaffen.

Wir haben im Kosovo einen Ausnahmezustand. Die serbische Polizei kann faktisch machen, was sie will. In den letzten Wochen und Monaten wurden viele Arbeiter entlassen. In Trebca wurden Hunderte von Arbeitern zu siebzig Tagen Haft verurteilt, weil sie unter den Bedingungen des Kriegsrechts ihrer Arbeitsverpflichtung nicht nachkommen wollten. Im Schulsystem gilt das Prinzip der Segretion, wir haben nun Schulen für Serben und für Albaner. Die Zahl der albanischen Studenten und der Professoren an der Universität von Pristina wurde dramatisch gesenkt. Viele Albaner sind aus dem Studentenhaus ausgezogen. Denn in vielen Schulen sind Kinder vergiftet worden, was zu Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen, Tränenfluß, starkem Herzklopfen und Erbrechen führte. Die Krankenwagen, die die Kinder ins Hospital bringen sollten, wurden von der serbischen Polizei gestoppt und zurückgeschickt. Für die serbischen Behörden sind die Vergiftungserscheinungen nichts als „albanisches Theater“. Wir warten noch auf die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchungen, die im Ausland gemacht wurden.

Die Selbstverwaltung in Betrieben wurde aufgehoben, so etwa bei dem größten Stromproduzenten des Landes. Die serbischen Behörden wollen unsere Wirtschaftskraft einschränken. Die serbische Regierung ruht nicht, bis sie uns aller Autonomierechte beraubt hat. Die Verfassungsänderung letzte Woche, dann jetzt die Abstimmung über die Wahlen, sie will auf jeden Fall verhindern, daß es zu freien Wahlen im Kosovo kommt.

Warum ist es dann im Kosovo nicht zu einem Aufstand gegen diese Unterdrückung gekommen?

Die serbische Führung weiß genau, daß sie unter demokratischen Bedingungen ihre Politik im Kosovo nicht durchsetzen kann. Die von Serbien betriebene Verfassungsänderung im Kosovo ist durch die Bundesverfassung nicht abgedeckt. Daß es trotzdem noch keine unbedachten Aktionen von seiten der albanischen Bevölkerung gegeben hat, liegt in der Stärke unserer Partei begründet. Unsere Leute achten bis ins letzte Dorf darauf, daß die Albaner friedlich bleiben. Denn schon ein verletzter Serbe würde die Rechtfertigung für weitere serbische Repressionsmaßnahmen liefern.

Sie hoffen also noch auf die Insitutionen in Belgrad und die Bundesregierung. Streben Sie im Rahmen einer jugoslawischen Konföderation den Status einer Republik an?

Nein, wir, die Demokratische Liga Kosovos, streben die Wahl eines freien Parlaments im Kosovo an. Dieses Parlament soll dann entscheiden, wie es weitergeht.

Was spricht eigentlich gegen die Forderung des Status einer Republik...

Serbien ist dagegen. Die Serben haben eine mythische Beziehung zum Kosovo, der serbische Parteichef Milosevic ist mit seiner Wirtschaftspolitik am Ende, der Konflikt um den Kosovo lenkt die Bevölkerung von den wirklichen Konflikten innerhalb der Gesellschaft ab.

Aber Sie haben doch die Unterstützung der nördlichen Republiken, Slowenien und Kroatien. Slowenien will sich jetzt aus Jugoslawien zurückziehen.

Sie müssen unterscheiden zwischen der öffentlichen Meinung in diesen Republiken und den Taten der Regierungen. Selbst die neue demokratische Regierung Sloweniens hat die gegen uns gerichteten Verfassungsänderungen in Serbien gutgeheißen.

Sehen Sie eine Chance, mit den neuen demokratischen Parteien in Serbien ins Gespräch zu kommen?

Auch die serbischen Demokraten sind mit den Kommunisten in bezug auf den Kosovo einer Meinung. Da gibt es noch keine Dialogmöglichkeit, weil auch sie dem Mythos Kosovo anhängen.

Ein serbischer Führer im Kosovo hat klar geäußert, er gehe von der Möglichkeit eines Krieges zwischen Serbien und Albanien aus.

Ja, selbst Milosevic hat im Parlament ähnliche Töne angeschlagen. Das kann man als Kriegserklärung begreifen. Wir wollen keinen Krieg, aber wenn wir gezwungen sind uns zu wehren, nehmen wir auch diese Form des Kampfes auf uns. Es wäre tragisch für beide Seiten, für den Balkan, für Europa. Deshalb bitten wir Europa, dies zu verhindern. Aber noch arbeitet die Zeit für uns und gegen die serbische Führung.

Haben Sie Kontakte zu Albanien entwickelt? Wollen Sie die Vereinigung?

Wir freuen uns sehr, wenn Albanien ein demokratisches Land wird, und davon gehen wir sogar aus. Zwar in kleinen Schritten, aber dennoch. Wir haben allerdings keine direkten Beziehungen zu Albanien. Es ist für uns immer noch unmöglich, nach Albanien zu reisen, weil wir eine Erlaubnis der serbischen Behörden brauchen. Und die bekommen wir nicht. Bisher haben die Albaner im Kosovo ihre Augen nicht auf Albanien gerichtet. Wenn wir aber weiterhin so unterdrückt werden und gleichzeitig die Demokratisierung in Albanien weitergeht, ist dies nicht mehr auszuschließen.

Interview: Erich Rathfelder