Autonomes Subjekt

■ Sloweniens Parlament beschließt den Vorrang der Republiksgesetze vor den Bundesgesetzen

Die verfassungsmäßige und politische Landschaft Jugoslawiens ist um eine Dimension reicher geworden. Am Montag erklärte das Parlament der Teilrepublik Slowenien die Unabhängigkeit des slowenischen Staates. Obwohl die Sprache der Erklärung recht drastisch und bestimmt klingt, hat das Dokument doch eher symbolischen Charakter und sieht zunächst keine konkreten Maßnahmen vor. Im zweiten und dritten Absatz findet sich die Essenz der Resolution: Die jugoslawischen Gesetze gelten auf slowenischem Territorium nur dann, wenn sie der slowenischen Verfassung nicht widersprechen. Und die Bundesinstitutionen, die auf slowenischem Territorium arbeiten, sind durch eben diese Verfassung gebunden.

Im wesentlichen drückt die Erklärung die Wahlversprechen fast aller politischen Parteien des Landes aus: der Wunsch nach dem konföderierten Status der slowenischen Teilrepublik innerhalb einer locker definierten jugoslawischen Könföderation. Wie der Ex-Dissident Janez Jansa in der Diskussion vor der Verabschiedung der Erklärung mit einer Mehrheit von 187 Stimmen - drei gegen und zwei Enthaltungen

-herausstellte, „bedeutet die Deklaration nicht die Sezession, sondern ist Ausdruck des politischen Willens. Sie regelt nicht die Vergangenheit, sie steckt die Bedingungen für die politische Zukunft ab.“ Das heißt, daß die nahe Zukunft Jugoslawiens die genaue Umkehrung der Logik des Gesamtstaates ist und bedeutet seine Transformation von einer Föderation in eine Konföderation.

Die Unabhängigkeitserklärung gibt der slowenischen Exekutive grünes Licht für Verhandlungen mit den anderen fünf Teilrepubliken, um einen neuen Gesellschaftsvertrag mit dem jugoslawischen Staat auszuhandeln. Um weiterhin ein Teil Jugoslawiens zu bleiben, fordern die Slowenen das Primat der Verfassung der Republik gegenüber der Bundesverfassung, absolute Priorität aller Gesetze Sloweniens vor den Bundesgesetzen, die Entpolitisierung der jugoslawischen Armee, deren Integration in Armeen der Republiken sowie die Kontrolle der Republik über den Staatshaushalt.

Weil die Nachbarrepublik Kroatien in eine ähnliche Richtung zielt, könnte man sagen, die jugoslawische Föderation hat faktisch aufgehört zu existieren, obwohl sie immer noch keine Konföderation ist - weil es schlicht keine politischen Dokumente gibt, die diesen Status regeln.

Mit dem neuen slowenischen Parlament begann eine neue Ära in der jugoslawischen Politik. Gesetzesvorlagen werden jetzt zunächst auf Republikebene verabschiedet und erst danach auf Bundesebene diskutiert. Weil ebenfalls am Montag die Regionalvertretung Kosovos ihre Region zum „autonomen politischen Subjekt“ erklärte, wird diese Tendenz verstärkt, wenngleich im Kosovo die demokratischen Bestrebungen der Albaner durch die serbische Polizei und Macht konztrolliert sind.

Wenn die Erklärung der Slowenen ein „Ausdruck ihres politischen Willens“ ist, ist die der Albaner Ausdruck ihrer Hoffnungslosigkeit. Bis heute war der Disput über mehr oder weniger politische Rechte für die albanische Minderheit in Jugoslawien stets durch Bundesinstitutionen vermittelt, wo sie zumindest den Anschein von Gleichberechtigung hatten. Wenn jetzt Jugoslawien in separate „souveräne“ Staaten auseinanderfällt, werden die Kosovo-Albaner nur noch mit der serbischen Regierung zu tun haben. Und dann verschwindet sogar der Anschein.

Ervin Hladnik-Miharcic