: Bebop, Swing und Superstars
■ Scorseses „New York, New York“ um 21.10 Uhr in Nord 3
New York, New York war der erste Film, den der eigentlich aus New York nicht wegzudenkende Regisseur Martin Scorsese in der Traumstadt eines jeden Filmemachers, in Hollywood, drehen durfte. Nach dem Erfolg mit Taxi Driver stand ihm ein großer Etat zur Verfügung, und großes Kino wollte er mit New York, New York auch produzieren, ohne auf seine persönlichen Eigenarten und Themen zu verzichten. Der Schauspieler Robert de Niro, sein Star aus Mean Streets und Taxi Driver, war das Bindeglied zu den vorangegangenen, den kleinen und schmutzigen Scorsese -Filmen.
Liza Minelli brachte den nötigen Glamour ins Spiel, und die Cabaret-Komponisten John Kander und Fred Ebb lieferten einige hervorragende Songs für den Soundtrack, darunter das schon zum Evergreen gewordenen Titelstück. Die Musik war bedeutsam, denn Scorseses sechster abendfüllener Spielfilm sollte ein Musical mit realistischen Komponenten werden. Die Musik und die sorgfältige Ausstattung folgen denn auch augenfällig den Vorbildern aus den dreißiger und vierziger Jahren; allein der Umgang der beiden Hauptfiguren miteinander zeugt kaum von der dem Genre eigenen Noblesse, Scorsese holte das in sagenhafte (Schein-)Welten entrückte Personal der Filmmusicals und Revuen auf die Straße und in die Realität zurück.
Da sind dann die Streitereien zwischen de Niro und Minelli gar nicht mehr so spritzig-witzig, sind die Dialoge überhaupt eher derb als charmant, da führt eine Liebesbeziehung zur ungewollten Schwangerschaft und diese zu erneutem Zwist; selbst die Musik ist Bestandteil des Konflikts, stehen doch Bebop und Swing, beharrliche Avantgarde und kompromißbereite Kommerzialiät, Ochsentour und Publikumserfolg einander beinahe unversöhnlich gegenüber. Konsequenterweise verweigern die Autoren den ZuschauerInnen das sprichwörtliche Happy-End.
Ästhetisch und inhaltlich war der Film eine Hommage an das klassische Musical und gleichzeitig dessen Weiterentwicklung durch Aktualisierung. Damit drehte Scorsese 1977 am Nerv des Kinopublikums vorbei: Saturday Night Fever, Thank God It's Friday und ähnliche Filme hießen die Kassenrenner jener Saison; ein nostalgischer und unterhaltsam -pessimistischer Film mußte da an der Kasse einbrechen. Das tat er prompt und harrt bis heute seiner Entdeckung durch das Kino. Das Fernsehen sprang ein und zeigte New York, New York wiederholt; heute zum Beispiel in der Nordkette.
H.K.
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