Mißstände in Straubing unverändert

■ Nach der Niederschlagung der Häftlingsrevolte macht Justizministerin die Grünen verantwortlich

Aus München Luitgard Koch

In der niederbayerischen Justizvollzugsanstalt Straubing gärt es weiter. Nach der von der Polizei niedergeschlagenen Häftlingsrevolte versucht die bayerische Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner (CSU) die Strafvollzugsbeauftragte der Bayerischen Grünen, Käthe Lieder, für die Revolte verantwortlich zu machen. Außerdem verschweigt die Ministerin einen erneuten Selbstmord in der umstrittenen Psychoabteilung des Gefängnisses. Von der geplanten Revolte hätte Käthe Lieder gewußt, behauptete die Ministerin und berief sich dabei auf eine mißverständliche Zeitungsnotiz. Käthe Lieder verlangt jetzt einen Widerruf. Eine der Ursachen für den Aufstand der Gefangenen sind nach Ansicht der Grünen die weiterhin anhaltenden Mißstände im größten bayerischen Knast. Schon seit Jahren protestieren die Häftlinge dort gegen die Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka im ominösen Haus drei sowie andere Schikanen. Anfang des Jahres kam es zu einer mysteriösen Selbstmordwelle. Die Justizministerin verweigerte dem Petitionsausschuß des Landtags, der sich vor Ort bei den Gefangenen informieren wollte, den Zugang zum Knast. Dann sollte ein Untersuchungsausschuß Licht ins Dunkel bringen. Vergangene Woche erklärte schließlich die CSU-Mehrheit im Landtag die Beweisaufnahme kurzerhand für abgeschlossen.

Die vom Ausschuß vernommenen Gefangenen wurden sofort nach ihrer Aussage im Knast isoliert und am nächsten Tage in andere bayerische Gefängnisse „strafverlegt“. Zuvor hatte einer der Gefangenen vor dem Ausschuß erklärt, daß ihm der Straubinger Anstaltsarzt Otto Schwarz mit „tiefgreifenden Konsequenzen“ nach der Anhörung gedroht habe, da er ein „Rädelsführer“ sei. Bei den Gefangenen handelte es sich um Mitglieder der Insassenvertretung, die aus Frust über die Zustände in der JVA das Handtuch geschmissen hatten. Erneut verlegt, diesmal von Kaisheim nach München-Stadelheim, wurde auch der Oetker-Entführer, Dieter Zlof. Der wortgewandte Zlof hatte in der JVA Straubing die Petition der Gefangenen an den Landtag formuliert. Aufgrund der anhaltenden Schikanen sowie der schleppenden Aufklärung durch den Untersuchungsausschuß ist der Ausbruch der Gefangenenrevolte nach Ansicht der grünen Landtagsabgeordneten Marianne Rothe nicht verwunderlich. Hinzu kommt, daß sich am 29.Juni bereits ein weiterer Selbstmord in der Psychoabteilung der JVA ereignet hat. Die Justizministerin hat dies der Öffentlichkeit verschwiegen. Ein Dringlichkeitsantrag der SPD im Landtag, daß die Mitglieder des Untersuchungsausschusses die JVA und vor allem das ominöse Haus drei besichtigen können, wurde mit der CSU-Mehrheit gestern wie erwartet abgeschmettert.