Erneute Schlappe für die Atomzunft

■ Verwaltungsgerichtshof bestätigt: Das Atomkraftwerk Obrigheim bleibt vorerst stillgelegt

Mannheim (taz/ap) - Das Atomkraftwerk Obrigheim bleibt vorerst abgeschaltet. Die Betreiberfirma Badenwerk hat vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim erneut heftige Prügel bezogen. In einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung lehnten es die Mannheimer Richter ab, die vom Stuttgarter Umweltministerium angeordnete vorläufige Stillegungsverfügung wieder außer Kraft zu setzen. Nach Angaben der Richter ist es nach einer summarischen Prüfung der Argumente der Kraftwerks-Geschäftsführung „wenig wahrscheinlich“, daß deren Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird. Schon deshalb komme dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Stillegung des Atomkraftwerks ein größeres Gewicht zu als den privaten Interessen an der Betriebsfortsetzung.

Der Atommeiler war Ende Mai abgeschaltet worden, weil derselbe Verwaltungsgerichtshof der Klage von fünf Bürgern stattgegeben hatte. Damals hatte das Gericht ausdrücklich festgestellt, daß der älteste kommerzielle Reaktor der Bundesrepublik bis heute keine Genehmigung für den Dauerbetrieb besitzt. Daraufhin war der baden -württembergischen Landesregierung nichts mehr anderes übriggeblieben als das AKW - gezwungener Maßen abzustellen.

Diese Stillegung ist jetzt von den Badenwerken vergeblich angefochten worden. Wenn eine Aufsichtsbehörde mit Hinweis auf die staatliche Schutzverpflichtung ein Atomkraftwerk stillege, das ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wird, dann stelle dies keine „sachfremde Erwägung“ dar, erklärte das Gericht. Der Betrieb kerntechnischer Anlagen, „die ihrem Wesen nach gefahrenträchtig sind“, sei erst dann zuzulassen, wenn sich die Genehmigungsbehörde die Gewißheit verschafft habe, daß die „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist.“ Das AKW Obrigheim sei demgegenüber „formell illegal“ betrieben worden. Solange die Frage der Genehmigung und Genehmigungsfähigkeit des Atomkraftwerks aber nicht endgültig geklärt sei, solange könne gegen eine Stillegung nichts einzuwenden sein. Daß das Atomkraftwerk durch die Betriebseinstellung Einbußen in Höhe von 60Mio Mark zu verzeichnen habe, müßten die Betreiber hinnehmen.

Daß über die Klage der AKW-Betreiber in einem sogenannten Hauptsacheverfahren überhaupt noch entschieden wird, hielt ein Sprecher des Gerichts für unwahrscheinlich. Die vom Umweltministerium angeordnete Stillegung ist bis zum 31. August beschränkt. Danach muß das Ministerium die Stillegung erneuern oder das Kraftwerk wieder ans Netz lassen. Von Experten wird eine nachträgliche Genehmigung für den Reaktor ausgeschlossen. Denn diese Genehmigung müsse nach dem heutigen Stand der Technik erfolgen. Und diesen Stand kann ein 22 Jahre alter Reaktor unmöglich erfüllen.

Die baden-württembergischen Grünen bewerteten die Gearichtsentscheidung gestern als erneute Schlappe für die Betreiberfirma und forderten die Staatsanwaltschaft auf, endlich strafrechtlich gegen die Badenwerke und die Genehmigungsbehörden vorzugehen.