Atomminister Beth RWE-befangen?

■ Als Landrat RWE-Berater, als Umweltminister AKW-Genehmiger / Grüne bringen Mülheim-Kärlich vor EG-Gerichtshof / SPD-Landeschef Scharping verspricht „Atom-Ausstieg so schnell wie möglich“

Aus Mainz Joachim Weidemann

Der Streit um die Genehmigung des Atomkraftwerks Mülheim -Kärlich des Energieriesen Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk (RWE) spitzt sich zu: Der rheinland -pfälzische Umweltminister Alfred Beth (CDU), der das AKW unlängst erneut genehmigte, hatte von 1980 bis 1988 drei Positionen innerhalb des RWE inne, für die er auch Vergütungen in bislang nicht bekannter Höhe kassierte. Das wurde gestern vom Mainzer Umweltministerium bestätigt. Die rheinland-pfälzischen Grünen monierten daraufhin, Beth sei als „Herr des Genehmigungsverfahrens zugunsten des RWE befangen“.

Acht Jahre lang übte Beth beratende Funktionen im RWE -Verwaltungsbeirat sowie im Regionalbeirat Mitte aus und saß auch im Verband der Kommunalen Aktionäre (VKA). Die Posten, so Beths Sprecherin Hill von Gorden, seien jedoch gebunden gewesen an das Amt des heutigen Ministers als Landrat von Altenkirchen. Von der ungenannten Summe habe Beth nur die für Nebenverdienste zulässige Höchstgrenze einbehalten. Wieviel dies war, blieb im Dunkeln. Der Rest des Geldes sei an den Landkreis Altenkirchen geflossen oder an „andere Organisationen“.

Wegen der umstrittenen AKW-Genehmigung, die Beth „ohne Sofortvollzug“ erteilt hatte, kam gestern auch der Umweltausschuß des Mainzer Landtags zu einer Sondersitzung zusammen. Beth erklärte aus diesem Anlaß, für die Anordnung des Sofortvollzugs bestehe „nach heutigem Erkenntnisstand kein Raum“. Die Frage, ob das AKW für die Energieversorgung überhaupt benötigt werde, sei noch nicht geklärt. Der Ausschußvorsitzende Reisinger (FDP) wollte Beths RWE -Tätigkeit nicht kommentieren. Wer Zweifel an der Rechtmäßigkeit der RWE-Zahlungen habe, dem stehe der „der Rechtsweg offen“. Sichtlich verdrossen allerdings war Reisinger darüber, daß Beth bei der Rechtfertigung des AKW -Persilscheins dem Ausschuß auch gestern den Genehmigungsbescheid selbst vorenthielt. Der Bescheid betrifft die 1.Teilgenehmigung des AKWs, die 1988 vom Bundesverwaltungsgericht (BVG) als rechtswidrig kassiert worden war und nun von Mainz „nachgebessert“ wurde. Während das BVG forderte, auch die Folgegenehmigungen 2 bis 8 für das AKW müßten auf ihren Bestand hin geprüft werden, sehen Beth & Co dies als unnötig an.

Die Grünen kündigten gestern eine Beschwerde gegen die Mainzer Landesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof an. Gegenstand der Beschwerde: Mainz habe bei der AKW -Genehmigung eine per EG-Recht vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung unterlassen. Auch bei der SPD verstärken sich die Widerstände gegen das AKW. Der SPD -Abgeordenete Eich erklärte, seine Partei werde eine Erweiterung des Auftrags des U-Ausschusses „AKW Mülheim -Kärlich“ beantragen. Der Ausschuß beschäftigt sich derzeit nur mit AKW-Mauscheleien anno 1974/75, also mit jenem Zeitraum, als die rechtswidrige 1.Teilgenehmigung erging. Laut Eich sollen nunmehr alle Vorgänge um das AKW „bis heute“ kontrolliert werden. SPD-Landeschef Rudolf Scharping kündigte gegenüber der taz ferner an: „Sollten wir 1991 an die Regierung kommen, dann werden wir den Ausstieg aus der Kernenergie vollziehen - natürlich juristisch korrekt, aber so schnell wie nur möglich“.